man wird es morgen dem anstürmenden Feinde wohl kampflos
räumen müssen.
Wir gingen durch die Stadt, an Häusern mit Mörtelverputz
und zwei oder drei Stockwerken vorüber, an Parterrewoh¬
nungen, in denen ich bemalte Zimmerwände sah, an Soda¬
wasserkiosken, an Fenstern mit Vorhängen, an Straßentafeln
und Geschäften und Ähnlichem, das ich längst vergessen hatte,
hinunter zur Savebrücke. Die Eisenbahnbrücke war zerstört
gewesen, aber zwischen den beiden niedergebrochenen Teilen
ist ein Fußgängersteg errichtet worden. Außerdem führen
zwei Notbrücken nach Österreich. Über sie ratterten die Fuhr¬
werke unserer Trains und die Munitionswagen unserer Ar¬
tillerie. Ein Hauptmann von Sappeuren verwehrte jedem
Soldaten das Betreten der Brücke. Die aufgelösten Mannschaf¬
ten sollten noch einmal gesammelt und dem Feind entgegen¬
geführt werden.
Ein Infanterist und ein Korporal, die um jeden Preis hinüber¬
kommen wollten, da sie keine Lust hatten, sich noch einmal
dem Feind zu stellen, wußten sich Rat: sie bewogen den
Kutscher des Wagens, der ihre Regimentskasse führte, nicht auf
die Brücke zu fahren, sondern etwa 30 Schritte entfernt von
dieser am Ufer zu halten. Dann hoben sie in Gemeinschaft mit
etwa 20 anderen Soldaten, die sie schnell einweihten, die Kasse
vom Wagen und trugen sie über die Brücke. Der Wagen sei
niedergebrochen, erklärten sie dem Sappeurhauptmann, und
dieser mußte sie mit der Kasse hinüberlassen..,
Montag, den 14. Dezember 1914.
Wache ich oder träume ich? Ich bin in Ekstase. Entzücken
und das höchste Wohlgefühl, das ich seit meiner Abreise aus
Berlin, also seit längst vergangener Zeit, nicht mehr empfunden
habe, wechseln mit trüben Bildern. Welch ein Tag! Ich zog
auf der von großen Schleppern gestützten Kriegsbrücke als
„Begleitmann“ der Regimentskassa über die Save. Das Gewoge
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