lassen, weil man ihn nicht mehr hinrichten wollte. Jetzt,
auf der Flucht lernen unsere Machthaber, daß mit Spionen-
riecherei, Berserkerpose und Meuchelmord kein Krieg zu ge¬
winnen ist. Der Mann stöhnte, daß er Hunger habe. Das Stück
Brot, das ich ihm in den Mund steckte, verschlang er mit
Gier.
Wir zogen durch Resnik, vor dessen Weingärten eine Batterie
Feuerstellung auf der Landstraße nahm, wir klommen einen
steilen Abhang hinunter, um den sich ein Bach in fast geschlos¬
senem Ring schlängelte, kamen an einem weißen Kirchlein samt
Klostergebäude mit roten Türmen vorüber, das von Häusern im
Karree umstellt war, und jedenfalls ein Wallfahrtsort (Knezo-
vaü?) ist. An Steinbrüchen, Villen, Telegraphenstangen ging die
Flucht vorbei, es begann zu regnen, nach und nach wurde es
stockdunkel, die Kameraden verloren einander, ich fand mich
unter einer Kolonne von magyarischen Landstürmern und fühlte
mich unter ihnen und der Sprache, von der ich kein Wort ver¬
stehe, einsamer denn je. Auf der Landstraße konnte man plötz¬
lich nicht weiter, weil vorn die Brücke über den tiefen Bach
unter den Kanonen zusammengebrochen war; man kehrte zu¬
rück, um eine andere Straße zu suchen. Nach fast 5 Stunden
fanden wir schließlich einen Weg, der in eine parkartige Allee
mündete, an welcher schöne Villen standen. Wir waren also
nicht in einer falschen Richtung gezogen, denn das konnte nur
ein Vorort der Landeshauptstadt sein, jedenfalls Topschider.
Um 7 Uhr abends sahen wir, daß wir auf einer Höhe waren,
denn tief unter uns strahlten die Lichter von Belgrad, und diese
Lichter waren regelmäßig und standen in geraden Linien und
stammten von Glühbirnen und Gaslaternen-
Bald spürten wir Straßenpflaster unter unseren Füßen, und
rechts und links standen geschlossene Häuserzeilen. Wir waren
in Belgrad.
Keine Patrouille hatte uns angehalten, kein Kordon war zu
sehen. Das fiel mir auf. Belgrad ist also nicht befestigt, und
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