Volltext: Schreib das auf, Kisch!

daß daran der Schlüssel baumele und hoffte, etwas Interessantes 
darin zu finden. Schnell blieb ich zurück, öffnete das Dossier 
und durchblätterte das vom Generalstabshauptmann Kirsch ge¬ 
führte Tagebuch der Division, ob nicht etwas Aufklärendes 
darin zu entdecken sei oder etwas, das geeignet wäre, irgend¬ 
einen Irrtum meines Tagebuches richtigzustellen. Ich fand nicht 
viel dergleichen. 
In Arnajevo fanden wir eine schöne Scheune zum Nachtlager, 
und ich kaufte von unserem Hausherrn eine Gans für drei 
Kronen, was laut Armeebefehl sechs Dinar entspricht. Wir 
hatten sie aber kaum gerupft und Kraut zerschnitten, als es 
hieß: Abmarsch. 
Die Gründe für diesen schleunigen Aufbruch verlauteten bald. 
Das 15. und vielleicht auch das 16. Korps seien zurückgedrängt, 
wir selbst zu dezimiert, um einen Durchbruch der Serben auf¬ 
halten zu können und müßten deshalb in der Richtung gegen 
Belgrad ziehen, um die Ankunft neuer Rekruten und die Neu¬ 
formierung abzuwarten. 
Der Rückzug dehnte sich bis in die stockfinstere Nacht, jeden 
Augenblick kamen wir in andere Trainkolonnen, jeden Augen¬ 
blick in andere Artillerieregimenter, die Kotmassen preßten die 
Räder wie Zangen und hielten sie jede Weile an, so daß Fluchen 
und Schreien die Nacht erfüllte. Immerhin war die Stimmung 
nicht so verzweifelt wie einst im August. Wir konnten uns nicht 
vorstellen, daß uns die Serben auf den Fersen seien, denn wir 
hatten doch in der letzten Zeit gesiegt und glaubten nicht mehr, 
seit wir mit serbischen Gefangenen gesprochen hatten, an die 
Tollkühnheit, an die Todesverachtung, an den wilden Haß und 
an die Unbesiegbarkeit der Serben. 
An der Landstraße standen die Troßknechte, Fahrküchen¬ 
kutscher, Kanoniere vor Feuern, an denen sie sich die durch¬ 
näßten Füße wärmten, wenn ihr Fahrzeug nicht vorwärts¬ 
kommen konnte. Jedes Feuer war eigentlich von einem „Vor¬ 
fahren“ für den „Nachfahren“ hergestellt worden, der es schon 
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