Volltext: Schreib das auf, Kisch!

einem Huhn wütend aus dem Fenster warf, weil er gewünscht 
hatte, daß es zu braten sei, während der Koch es mit Paprika 
geschmort hatte. Ähnliche Äußerungen eines durch keinerlei 
Hemmungen beschwerten Jähzornes habe ich beim Train 
unseres Regimentes erlebt, wo z. B. Hauptmann Oberdanner 
Leute mit Stockschlägen traktierte, so daß Soldaten mit geplatz¬ 
ten Halsadern und dgl. in das Spital abgegeben werden mußten. 
Dienstag, den 1. Dezember 1914. 
Der letzte Monat dieses grausamsten aller Jahre beginnt 
heute. Wird es der letzte Monat des Krieges sein? Viele Mil¬ 
lionen wünschen es mit allen Fasern ihres Herzens, es ist die 
inbrünstigste Hoffnung, die alle beseelt, keinen Menschen gibt 
es, der das Gegenteil will, und dennoch kann dieser heiße 
Wunsch, der sich über Legionen und Erdteile schwingt, keine 
Macht gewinnen, und alle Sehnsüchte sind wirkungslos. Nir¬ 
gends ist ein Ende abzusehen. 
Morgens marschierten wir via Lazaravaö, d. h. nur durch die 
Elendsviertel der Peripherie, über die Fußgängerbrücke (die 
Eisenbahnbrücke ist gesprengt) scharf nordwestlich, was das 
Gerücht verstärkte, daß wir mit dem 13, Korps und der Armee 
Kraus gegen Stadt und Festung Beigerad marschieren. Der Weg 
ging an verlassenen serbischen Deckungen und Verhauen vorbei. 
Ich setzte mich in einen Wagen der Feldpost und spielte — was 
ich sonst selbst in wochenlangem Arrest nicht getan hatte — 
mit einem Postbeamten „Mariage“ und „Einundzwanzig“ um 
Patronen. Nach einer Stunde hörten wir auf, weil ich keine 
Patronen mehr hatte und er mir nicht kreditieren wollte. 
Ich lag mit dem Rücken an einen Sack gelehnt und spürte, 
daß aus einem Loch die Ecke eines Paketes herausragte. Ich 
drehte mich um und sah, daß es Schokolade sei. Hunger hatte 
ich (es war bereits 2 Uhr nachmittags, und ich war noch 
nüchternen Magens), und so entstand in mir das Gelüst, ein 
Stück abzubrechen. Ich versuchte es, aber die Schokolade war 
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