Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Freitag, den 27. November 1914. 
Wir marschierten gegen Petka. Die Eisenbahnbrücke über die 
Kolubara ist von den Serben gesprengt worden, und ihre Mitte 
liegt im Wasser. Wir zogen über eine Kriegsbrücke. Petka ist 
sechs Kilometer von Lajkovac entfernt. 
Heute wurden 300 Gefangene zum Korps, das jetzt in Lajko¬ 
vac ist, geschafft. Gegen Abend ,,atmete ich Höhenluft“, indem 
ich im Tal beim Gebirgstrain unseres Regiments war. Dort 
wurde der Inhalt von Paketen versteigert, deren Adressaten 
nicht mehr leben .. . Das Geld geht an die Absender zurück. 
Ich erstand einen Sweater für K. 10.—. Als ich heimkehrte, er¬ 
fuhr ich, daß ich Post erhalten habe — seit Wochen zum ersten¬ 
mal. Auch Pakete für mich seien darunter. Ich freute mich 
und zündete mir schon im Geiste eine feine österreichische Ziga¬ 
rette an. Statt dessen: warme Wäsche, aber natürlich nur ge¬ 
strickter Unsinn, Handschuhe mit zierlichen Posamenten, Puls¬ 
wärmer mit einem rotgestickten Herzen, Fäustlinge für Ele¬ 
fantenbabys, Knieschützer für Störche und ähnliches Zeug, das 
die Mädel aus Langeweile und um sich wichtig zu machen, in 
fröhlichen Kränzchen strickten. Man muß sich für diesen Bal¬ 
last noch bedanken, schenkt die Sachen nicht gerne her, weil 
man weiß, daß man das, was man heute abgibt, mit mathe¬ 
matischer Sicherheit morgen dringend benötigen wird (wäh¬ 
rend das, was man auf hebt, wochenlang den Tornister be¬ 
schwert) . 
Die Schlafgenossen, die beim Auspacken anwesend sind und 
mich noch vor fünf Minuten mit Schimpfworten aus dem Quar¬ 
tier jagen wollten, weil sie als erste in diesen Schweinekober 
Streu hineingetragen hatten, werden jetzt liebenswürdig und 
betteln mich an, indem sie vorgeben, daß sie dieses oder jenes 
,,gerne bezahlen“ wollen. Wenn ich aber einem etwas schenke, 
sind zehn andere tödlich beleidigt. Am Abend kam das halbe 
Regiment zu mir, alle hatten von meinem „Glück“ gehört, daß 
ich zwei Pakete erhalten, jeder wollte von mir Zigaretten, Scho¬ 
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