Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Montag, den 16. November 1914. 
Von der uns Tag für Tag mehr beschäftigenden Frage bewegt, 
ob Valjevo oder Kragujevac unser Ziel sei, oder wo wir sonst 
mit den Serben Zusammenstößen würden, gingen wir heute um 
7 Uhr früh gegen Osten, Richtung Lajkovac, uns von Valjevo 
etwas entfernend. Diese großen Märsche sind jetzt immer gleich. 
Die Füße naß, die Stiefel schwer, die Straße kotig, die Hitze 
lähmend. 
Aber das Ärgste ist die Bestie im Kalbfell, die sich in unser 
Rückgrat festgebissen hat. Nur ein kurzer Entschluß, und man 
könnte sich des Feindes im Rücken mit einem Ruck entledigen, 
aber man schleppt das Tier weiter mit sich. Er enthält nicht 
viel, der Tornister, aber wenn ich die Konserven, das Winter¬ 
zeug, die Patronen in den Brotsack stopfen wollte, bliebe noch 
immer auf meinem Rücken der Schlaf sack, dem ich bei Tage 
fluche und den ich bei Nacht segne. Er ist ein schönes Nacht¬ 
quartier, jedoch man muß es sich täglich auf dem Marsch im 
Schweiße seines Angesichts verdienen. 
Über Zwidar kamen wir nach Ub, einer großen Stadt. Mit 
lateinischen Buchstaben stand auf einem Hause die Aufschrift 
,,Hotel Serbien“; statt der „Gemischten Warenhandlungen“, der 
Kaufhäuser der Dörfer, sah man jetzt spezialisierte Geschäfte, 
sogar eine Sargtischlerei. Auf der Straße lagen großmächtige 
Folianten, wahrscheinlich Steuerbücher oder Grundbücher, total 
zerfetzt und beschmutzt. Die Straßen sind gepflastert, wenn 
auch holperig. Die Stadt ist leer von Bewohnern, voll von un¬ 
seren Truppen und Kommanden, die in den Geschäften und auf 
der Straße und in den Sclimiedewerkslätten hantieren und am¬ 
tieren, Generalstäbler, Schreiber, Kurschmiede und Kanoniere. 
Hinter Ub konnten wir auf der Chaussee gar nicht vorwärts, 
so ungeheuer waren die Kolonnen der Rückwanderer. Die 
Bauern blieben neben den Wagen stehen, um uns passieren zu 
lassen. 
Dabei sah ich, wie eine Bäuerin von einer Zigeunerin ab¬ 
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