Popen, der hundert Jahre alt schien. Sein silbernes Haar fiel in
einer harten Mähne auf den Talar, er konnte kaum gehen, zwei
Kirchenälteste, die wohl seinetwegen zurückgeblieben waren,
stützten ihn von beiden Seiten. Hinter ihm schleppte sich ein
gleichfalls uraltes Mütterchen mit einem Sessel, wohl seine Be¬
dienerin. Wenn der Pope nicht weiter konnte, humpelte sie mit
ihrem Stuhl herbei, und der Alte setzte sich darauf, um auszu¬
ruhen.
Um 6 Uhr rückte das Bataillon Baizar, das seit sechs Wochen
von uns getrennt gewesen war, wieder zum Stammregiment ein.
Mein bester Freund, um dessentwillen ich mir schon längst diese
Vereinigung gewünscht hatte, war nicht mehr darunter, zwei
feindliche Schüsse hatten ihn getroffen. Auch daß Leutnant
Schierl tot ist, erfuhr ich; er war einer der prachtvollsten Bur¬
schen des Regiments. Jetzt sind nur noch drei Offiziere ununter¬
brochen seit Beginn des Krieges in der Front.
Am Karrenweg, der von der Nordgrenze des Ortes gegen
Serbisch-Raca führt, ist ein kleiner serbischer Friedhof für
Kriegsgefallene errichtet, mit Kreuzen, die aus alten Patronen-
verschlägen gezimmert sind, ein zweiter Friedhof befindet sich
gerade hinter unserem Haus. (Das bringt mich auf die Ver¬
mutung, daß das Stroh, auf dem wir jetzt liegen, wohl die Bett¬
statt von Kranken war, vielleicht von Cholerakranken; deshalb
ist auch soviel schmutzige Watte hier.) Auf die Grabkreuze
sind Tücher gebunden, ein Gebrauch, der mir schon in Bosnien
und Syrmien aufgefallen ist; auf einem Hügel lagen zwei Äpfel.
Die Offiziersgräber tragen geschnitzte Bretter mit Gedichten, auf
denen viel von Freiheit und Knechtschaft die Rede ist.
Am Abend trieben Kavalleristen das Vieh des Dorfes mit
„Heidi, Heidi“ zum Schlachtplatz. Es war wie eine Nacht in der
Prärie, Cowboys und Trapper jagten eine Büffelherde, die aus¬
einandersprengen wollte. Wir Infanteristen beteiligten uns
jubelnd an der Treibjagd.
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