wisse man, daß den Siegesnachrichten kein Glauben zu schenken
sei, und obwohl die Behörden gegen die Verbreiter pessimisti¬
scher Anschauungen und Gerüchte einschreiten, erfüllen nur
Nachrichten von verlorenen Schlachten, verlorenen Trainkolon¬
nen und Automobilparks, schweren Verlusten und dergleichen
die Bevölkerung, deren Stimmung eigentlich gegen den Krieg
gerichtet sei, und die sich in ihren abfälligen Äußerungen gegen
die eigenen Führer und Machthaber (wenn auch nur in latenter
Weise) wende. Sogar der Volkshumor sei ein schwarz-
seherischer: „Alle Friseure müßten auf den Kriegsschauplatz
abgehen, weil wir bereits eingeseift sind“. „Die neu eingeführten
Zweikronen-Banknoten sind weder hochrot noch rosarot,
sondern bank-rott.“ Die Begeisterung, die am Anfang die ins
Feld ziehenden Truppen begleitet hat, sei in Verzweiflung um¬
gewandelt, auch die abmarschierenden Soldaten sollen keine
„Zucht“ mehr haben. Die „Prager Kinder“, die 28er oder das
8. Landwehrregiment, hätten bei ihrem Abmarsch auf den Bahn¬
hof ein rotes Tuch als Fahne vorangetragen, auf dem ein altes
tschechisches Volkslied folgendermaßen variiert aufgeschrieben
war: „Cerveny sälecku kolem se toö, ja tähnu na Rusko, ja
nevim proc“, d. h. „Du rotes Tüchlein, du, dreh’ dich herum,
— Ich zieh’ nach Rußland jetzt — Und weiß nicht warum“. Im
Spital in Pisek seien 2000 Ruhrkranke, in Frankreich sei es nun
auch mit den deutschen Siegen zu Ende, an der russischen Front
sogar der österreichische Landsturm vernichtet worden. Gegen
die Juden sei die Stimmung in der Bevölkerung erbittert, weil
viele Lokalanstellungen mit ihnen besetzt seien. So? Und mir
geht wieder vor den vielen Juden hier die Galle heraus.
Sonntag, den 25. Oktober 1914.
Der Kommandant der Balkanstreilkräfte, F. Z. M. Potiorek,
fühlt sich bemüßigt, feindliche Jubelmeldungen über Siege von
Romanja planja (wie kommen die Montenegriner so nahe an
Sarajevo?), von Kurjacica und vom Gucewo-Rücken auf das
n*
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