Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Freitag, den 16. Oktober 1914. 
Früh: Mit Meldungen zur Division nach Bosnisch-Raca. Die 
Save noch immer wie eine schwangere Frau. Mitten im Fluß 
war eine Mühle auf eine Sandbank aufgefahren, die Bretter weg- 
geschwemmt, nur das Mühlenrad streckte sich groß und un¬ 
gefügig wie ein totes Ungetüm über den Wasserspiegel der Save. 
Es fiel mir ein, ob das nicht die Wassermühle aus Syrmisch- 
Raöa sei, die ich mir vor Monatsfrist mit dem Amtmann, der 
Hebamme und den anderen mystisch-grausamen Gestalten der 
„Kronbraut“ belebt hatte. Ich lugte über den breitgewordenen 
Strom, aber ich konnte nicht sehen, ob meine alte Mühle noch 
an ihrem Platz ankerte oder ob sie es sei, die tot und unbegraben 
vor mir liegt, wie tausend andere Freunde. 
Die Laufgräben sind teilweise unter Wasser, so daß man über 
kleine Brücken aus Brettern steigen muß. Die Serben haben an¬ 
geblich zwei Flüsse in die Drina abgeleitet, um uns oder wenig¬ 
stens die Laufgräben zu überschwemmen. 
Montag, den 19. Oktober 1914. 
Antwort von Familie Rößler. Ein Brief, voll von ungeheurem 
Schmerz über den Verlust des einzigen Sohnes, und vor allem 
die dringende Bitte, ich möge alles unternehmen, daß der Tote 
in heimatlicher Erde bestattet wird. Ich erhielt die Erlaubnis, 
mich nach Bosnisch-Raca zur Divisions-Sanitätsanstalt zu be¬ 
geben, wo Rößler beerdigt ist. Dort erhielt ich die Auskunft, 
daß ein Ansuchen um Exhumierung bei den gegenwärtigen 
Transportverhältnissen kaum auf Genehmigung zu rechnen 
habe. Man zeigte mir das Grab, welches auf einem ad hoc 
hergerichteten, mit einem großen Steinkreuz geschmückten 
Friedhof sehr sorgfältig gehalten ist. Auf den Hügeln sind 
Blumen gepflanzt und Holzkreuze befestigt. Ich schrieb der 
Familie und gab eine Schilderung der Grabstätte. 
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