Volltext: Schreib das auf, Kisch!

nicht in seine Behausung kommen dürfte, erbat ich mir mein 
Zeltblatt zurück, das einzige Mobiliar, mit dem ich zu ihm über¬ 
gesiedelt war. Das hieß, ich wolle wieder in mein altes Heim. 
Er zwang mich, zu bleiben, und ich mußte bleiben. Aber ich 
empfand es höchst unangenehm. 
Das seltsamste war, daß dieser Mensch einmal im Gespräch 
über einen Stabsoffizier äußerte, dieser sei ein nobler Charakter. 
Auf meine Frage, wie er dies begründe, zählte er mir alle Eigen¬ 
schaften auf, die durchwegs den seinigen entgegengesetzt waren, 
und wußte sie nicht genug zu loben. Ich war so verblüfft, daß 
er (mein Staunen merkend) mich fragte, ob ich nicht seiner Mei¬ 
nung sei. Ich beeilte mich, zu versichern, daß auch ich die von 
ihm gerühmten Eigenschaften rühmenswert finde, nur seien sie 
leider selten zu finden. 
Ich muß erwähnen, daß dieser mein „Gastfreund“ der einzige 
verabscheuungswürdige Offizier ist, den ich im Regiment 
während meiner Kriegszeit kennengelernt habe. Übrigens rückte 
er heute mit seiner Kompagnie in die Schwarmlinie ab, und ob¬ 
wohl ich wieder in Regen, Wind und Nässe am Nachmittag zur 
Nachtruhe gehen muß, wird mir nach seiner schönen Wohnung 
nicht bange sein. 
Mittwoch, den 14. Oktober 1914. 
Zu den merkwürdigsten Aufgaben, mit denen ich bisher bedacht 
wurde, gehört die heutige: ich möge einen neuen Brunnen für 
die Schwarmlinie und die Reserven suchen, da die bei diesen 
befindlichen Brunnen infolge (von denSerben) hineingeworfener 
verfaulter Kürbisse stinkendes Wasser liefern. Der Auftrag 
schien unerfüllbar. Wäre ein anderer Brunnen vorhanden, so 
hätten die lückenlos und in langer Front vorrückenden 
Schwarmlinien auf ihn stoßen, beziehungsweise jeder Schwarm 
wissen müssen, wo Trinkwasser zu holen sei. Obwohl also meine 
Aufgabe aussichtslos schien, gelang es mir altem Rechercheur 
durch Umfragen doch einen Brunnen zu finden, allerdings einen 
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