Ich lasse von einem Freunde, dem Mediziner Ninger, meine
Bajonettwunde untersuchen, die übel aussieht, um so mehr, als
ich meine Hand seit sechs Tagen nicht gewaschen habe (und
vorher kaum gewaschen). Der Medikus macht ein bedenkliches
Gesicht, die Wunde sei ganz eitrig, und die Gefahr, daß Phleg¬
mone und Blutvergiftung hinzutreten können, sehr groß. Er des¬
infiziert sie, so gut es geht.
Nachmittags um 3 Uhr gehen wir vor. Nach 200 Schritten
kommen wir zur ersten serbischen Deckung. Überall stinkt es
von serbischen Leichen, und auch unsere Landwehrsoldaten
sehen wir tot und unbegraben auf dem Feld. Einem nehme ich
einen Löffel aus dem Brotsack. Es geht mir zwar etwas gegen
das Herz, aber zu lange habe ich ohne Löffel gegessen.
Die serbischen Deckungen sind nicht so gut wie jene am Ufer,
die seit drei Jahren (von Berufsarbeitern wohl) sorgsam her-
gestellt wurden. Aber als Gefechtsdeckungen sind auch diese
hier ganz vorzüglich, und wie verzweifelt man sie verteidigt hat,
ist daraus zu ersehen, daß die Toten auf Plänklerdistanz, ja, in
Abständen von zwei Schritten, nebeneinanderliegen. Und in¬
mitten dieses Leichenfeldes muß man lächeln, wenn ein aus dem
Pensionsverhältnis ausgegrabener Major mit einem Blick auf die
infolge Verwesung ganz schwarzen und weithin riechenden
Leichen, vor deren Mund und Nase das Blut in Patzen erstarrt
ist, vorsichtig bemerkt: ,,Achtgeben, ob die auch wirklich tot sind!“
Ich suche Charakteristika in der von den Serben geräumten
Deckung. Es sind meistens Spielkarten darin, Flaschen, keine
Bücher mehr, nur ein Schulheft mit ungelenken Schreibver¬
suchen: einer lernte da schreiben. Weiler liegen hier die selt¬
samen Trinkflaschen der Italiener und Balkanier: ein doppelt
ausgebauchter Kürbis, der trocken und hohl ist, und in dem der
Bauer und der Krieger seinen Schnaps und sein Trinkwasser
aufbewahrt.
Auf den Patronenkartons ist verzeichnet, daß es Projektile aus
österreichischen Fabriken waren, die gegen uns hier verschossen
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