Volltext: Alt-Wien [72/73/74]

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oon den Handzeichnungen des Michelangelo durch, dann 
Mantegnas Zug (den Du einmal bei Geheimrat Schultz ge⸗ 
sechen); was man bei uns mühselig zus ammenklaubt, unvoll⸗ 
ständig besitzt, große Aufsätze darüber macht, ist hier in Hülle 
und vollauf; daun die Portefeuilles von Martin Schön und 
einigen anderen. 
Nachher sah ich den kaiserlichen Privatgarten und die 
Gewächshäuser bei der Burg, ging hinein‚und heraus durch 
eine Art von unterirdischem Gang, durch den der Kaiser alle 
Tage geht und einige Nachmittagsstunden in seinen. Gärten zu⸗ 
bringt. Aber der Flor — ich konnte nur auf Georginen und 
Althaͤen hoffen — ganz unbedeutend — das ist auf der Pfauen— 
insel ganz anders. 
Nachmittags wieder ein paar Stunden im Belvedere und 
dann im Figaro von Rossini — Lablache, welch ein Figaro! — 
Mde. Fodor, welch eine Rosine! Das ist eine vollendete 
Sängerin, welche Schönheit, Anmut, Kunst, Freiheit, Geschmack 
des Gesanges, und der treffliche Lablache, welch ein Baß! und 
wie heiter und freikoömisch, überall nichts Niedriges, nichts Ge— 
meines. Wenn der ganze Chor zusammen singt und das 
Orchester ebenso fortissimo aus allen Kräften dreinrauscht, so 
hört es sich aufs bestrmmteste, als ob er Solo sänge, und das 
ganz ohne Anstrengung, ohne Geschrei, ohne schreienden Ton. 
Ambrogi auch wieder als Doktor Bartolo sehr gut, dann noch 
ein neuer Sänger de Franco, es ist eine ganze Hecke, veils der 
allertrefflichsten, teils tadelloser trefflicher. Aber auch welchen 
Anteil nehmen wir Publikum! Drei bis vier Akteurs werden 
jedesmal beim ersten Auftreten applaudiert, dann Rjede 
Passage applaudiert — oder bravo! bravo!l gerufen, 
dann nach jeder Szene unmäßig applaudiert, der 
Sänger dankt und geht ab — aber das Applaudieren dauert 
mit anhaltender Stärke fort, auf daß er oder sie nicht beklatscht, 
sondern herausgeklatscht sei. Am Ende des Stückes dagegen 
finddet kein Herausrufen oder Redensarten statt. So, wieder— 
holt Parthey und andre, kann man den Figaro in Italien 
nirgends geben sehen. Ich las heute in einem Wienex Theater⸗ 
blatt, daß die Erfahrensten darüber eins seien, daß nach ihrer 
längsten Erinnerung seit fünfzig Jahren keine solche italienische 
Gesellschaft an Wien gewesen und gewiß die nächsten fünfzig 
Jahre nicht wieder kommen werde. Die Partheyschen, nachdem
	        
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