Volltext: Alt-Wien [72/73/74]

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Souverains den großen Maskenball gegeben, wovon lange ge— 
sprochen wurde, und hat dabei die besondere Artigkeit gehabt, 
auch Mine und Hanne miteinzuladen. Diese haben drei Tage 
darauf geschneidert. Was Mine angehabt hat, kann ich nicht 
heschreiben, es war nichts extraordinäres dabei, als daß sie ihren 
besten Ring in die Mütze genäht hat. Hanne hat sich dagegen 
nach Angabe der Frau von Schlosser und mit Zuziehung eines 
välschen Malers, mit dem wir bisweilen verkehren, als eine 
talienische Bäuerin ausgekleidet; sie hat auch zwei Tänze mit— 
getanzt, worin der Kaiser von Rußland und der König von 
Preußen mittanzten, und bei dieser Gelegenheit einmal etwas 
gesehen, was man nicht leicht wieder zu sehen bekommt. Es war 
nämlich bestimmt, daß alle tanzenden Damen in Kostüms von 
Völkerschaften, die zur österreichischen Monarchie gehörten, 
maskiert sein sollen. Dies war nun wirklich mit der höchsten 
Vollständigkeit ausgeführt und gewährte einen sehr interessanten 
Anblick. Die Arrangierung des Lokals, die Beleuchtung ꝛc. war 
iußerst prachtvoll: es wird wohl eine Beschreibung davon in 
die Zeitungen kommen. Ich habe ein Ding anziehen müssen, 
vas man einen venezianischen Mantel nennt, und habe dabei 
das Orève-coeur erleben müssen, daß Frau Mine mir, nachdem 
ich schon eine Stunde dagewesen war, ins Ohr flüstert, ich hätte 
es verkehrt angezogen, die Naht stände nach vorn. Mine und 
Hanne haben dann hauptsächlich das davon gehabt, daß sie 
sämtliche Monarchen und Monarchinnen einmal so recht in der 
Nähe gesehen haben, daß sie sie nicht wieder vergessen werden, 
denn sie waren wirklich so allenthalben darunter, daß man sie 
von Privatpersonen kaum unterscheiden konnte. Von dem 
Schmuck, der da zur Schau getragen wurde, habt Ihr keinen 
Begriff. Die Lady Castlereagh war vor allem mit Brillanten 
iberladen. Hanne hat die bei der Verlosung gewonnene goldene 
Kette getragen, sie hatte eine hübsche wächserne Maske, die sie 
zum Andenken wohl mit nach Bremen gebracht hätte, wenn sie 
nicht beim Weggéhen gebrochen wäre. Wer das um die Hand ge— 
habt, ratet Ihr nicht; niemand anders als der Kaiser von 
Rußland. Man demaskierte sich nämlich bald. Hanne gab ihre 
Maske dem Legationsrat Röntgen von Nassau zur Ver— 
wahrung; dieser hat sie, auf der Treppe stehend, in der Hand, 
wie der Kaiser von Rußland. gerade weggeht. Röntgen stellt sich 
an die Seite und macht ihm eine Verbeugung; der Kaiser er— 
widert dies, wie seine Gewohnheit ist, mit einer Bewegung der
	        
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