Volltext: Alt-Wien [72/73/74]

128 
var jener Literat, den ich in Leipzig kennen gelernt hatte, der 
einzige mir persönlich bekannte Wiener, welchen ich zu finden 
gehofft. Die Stadt dam mir wie märchenhaft vor. 
* 
* 
3 
Was das Wiener Volk betrifft, so hatte dasselbe zwar in 
der Revolution seine politische Unschuld verloren, war aber 
damit nicht über die Entwicklungsstufe der Kindlichkeit hinaus— 
gerückt, auf welcher es die Ereignisse überrascht hatten, und der 
Genuß des Apfels vom Baume der Erkenntnis hatte als Fort⸗ 
schritt in vielen Beziehungen den kindlichen Sinn nur in einen 
kindischen umgewandelt. Damit stand es nicht außer Zusammen⸗ 
hang, daß in den großen Fragen des Tages die akademische 
Jugend das große Wort führte und den Ton angab. Ich war 
noch nicht viele Tage in Wien, als ich eine Deputation der 
Studentenschaft zu empfaugen hatte, welche es mir zu Gemüte 
führte, daß der von mir getragene „Zyliuͤder“ als schmähliches 
Zeichen reaktionärer Gesinnung des Vertreters der deutschen 
Demokratie unwürdig set, und mir im Namen der österreichischen 
Jugend einen breitkrempigen „Kalabreser“ mit prachtvollen 
Straußfedern überreichte, mit welchem ich auf dem anspruch— 
vollsten Hoftheater als Fra Diavolo oder Rinaldo Rinaldini 
hätte ers cheinen Können, und ich mußte, wenn ich nicht meine 
ganze demokratische Reputation verlieren wollte, die räuber— 
mäßige Kopfbedeckung während meines ganzen damaligen 
Wiener Aufenthaltes tragen. — 
2 — 
* 
Der öffentliche Geist in Wien nahm indessen erst in dem 
Aufstande vom 6. Oktober und der Ermordung Latours einen 
wilderer Charakter an, während welcher Vorgänge ich mich schon 
in Frankreich befand. Im September war das Leben noch heiter, 
leichtsinrig und harmlos ber allem Ernste der Zeit Der 
Nationalitätenschwindel hatte damals seine Höhe errcicht. Jeder 
Mensch trug sein Bändchen, seine Schleife oder seine Kokarde, 
um seine Nationalität zu erkennen zu geben, und ich selbst wäre 
ohne Schwarzrotgold nicht öffentlich erschienen. Da schritt eines 
Tages ein langer Mann durch die Straßen der Staot. welcher 
vom Kopf bis zu Füßen mit den Farben aller österreichischen 
Nationalitäten und Nationalitätchen — der deutschen, italieni⸗ 
schen, ungarischen, böhmischen, polnischen, kroatischen und wie 
sie allen 
des Anci 
und heit 
Musterke 
der Stre 
hatte zu 
vermocht 
nicht ver 
feier au 
Barrika 
zahlreich 
Reden J 
Brüderr 
an, und 
weit abe 
der ung 
mußte, 
ein Tei 
der Str 
Saale 
oder für 
Trauerr 
und Länr 
lachte u 
denken. 
Treiben 
Persone 
alte Fri 
und ein 
der jun— 
und beg 
her, bei 
zu dem 
schaft z 
beiden 
Leuten 
Herrn 
geküßt. 
J 
Frankf
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.