Volltext: Alt-Wien [72/73/74]

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Allerhand Gedanken kreuzten sich; ein Buch- und ein Theater⸗ 
abend reichten Bittschriften ein, und während ich grübelte, 
welches von beiden den Vorzug verdiene, kam ich unversehens 
zu einer Mauerecke, ich trat hinzu und las: Im Theater an 
der Wien, Sonntag, den 21. Mai 1846, musikalische Akademie 
zum Besten der Blinden; die angezeigten Musikpiecen zogen 
mich an. Staudigl und Jenny Lind, die Heldin des Tages, 
schwedische Sängerin item Dichterin, sollten singen; ei, dachte 
ich, eil Das wäre etwas! Ich habe noch kein Konzert gehört, 
auch nicht einmal gesehen, wie es in einem solchen zugeht! Ich 
sah auf die angezeigten Preise (die Logenpreise übersah ich aber 
geflissentlich um keine Magenkrämpfe zu bekommen), mein Blick 
fiel gleich auf die vierte id est letzte Galerie — und, o Wunder, 
da las ich staunend — 30 kr. C-Mze — mein Vermögen auf einen 
Heller verzeichnet.... 
Sympathetisch, als hätte man sie beim Namen gerufen, 
regten sich in ihrem Gefängnisse meine Kreuzer. Ich gab 
nach und beschloß, die Akademie auf jeden Fall zu besuchen. 
Heute also um 11 Uhr begab ich mich nach dem Schauspiel— 
hause. Am Orte meiner Bestimmung angekommen, erstieg ich 
meine vier Stiegen und trat ein in meinen vierten Himmel oder 
purzelte vielmehr hinein, denn die Lampe war noch nicht 
angezündet; um mich war es Nacht; ich sah in der tiefen 
Dämmerung bloß einige Gestalten; als ich im besagten vierten 
Himmel zwei Schritte gemacht, fiel ich in eine tiefe Grube, 
woselbst ich hocken blieb, geduldig erwartend, bis der Lampen⸗ 
meister den Prometheusfunken in dieses Chaos werfen würde. 
War es nun Zufall oder Reverenz gegen meine Person, 
kaum hatte ich fünf Minuten in jener Grube gesessen, so 
brannte im Nu jene treffliche Gaslampe und lichtete die Nacht, 
ich gewahrte nun mit Vergnügen, daß ich bequem im vierten 
Stock in, der ersten Reihe auf der vordersten Reihe sitze; 
närrischeẽweise hatte ich den abschüssigen Ort in der Angst für 
eine Grube gehalten. —V — 
Endlich hob sich der Vorhang und das Konzert begann 
gleich mit der Ouvertüre von Webers „Euryanthe“. Bald 
rauschten die Töne in voller Gewalt, bald klangen sie feenhaft 
— —— 
eine Arie aus derselben Oper, die sehr gefiel. Hierauf trugen 
Jenny Lind, Fräulein Dielen, Staudigl, Gehrer und der Chor 
das Finale derselben Oper vor. Sodann wurde die Ouvertüre 
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