Volltext: Sperrfeuer um Deutschland

Abermals steht die Westfront, um hundert Kilometer nach forden ver¬ 
längert. Ihre Richtung weist genau nördlich. Verliefe sie, wie zwischen Verdun 
und Noyon, von Osten nach "Westert, so bliebe den Deutschen viel erspart. Zwei- 
mal ist ihnen Joffre zuvorgekommen. 
Noch halt Antwerpen. Noch ist kein deutscher Soldat im nordwestlichen 
Zipfel Belgiens. Noch liegt die ganze belgische Rüste offen und herrenlos da. 
Es handelt sich jetzt um die Entscheidung der Frage, ob die Deutschen in 
Flandern eine Basis für ihre Unterseeboote bekommen oder nicht. In ganzer 
Schärfe tritt diese Frage an die deutsche Heeresleitung heran. 
England spürt, es geht hier um sein Leben. Die Londoner Regierung wen- 
det sich an das französische Rabinett und verlangt mit allem Nachdruck eine 
gründlichere Beobachtung der englischen Interessen. Zwischen Joffre und French 
entstehen heftige Zerwürfnisse. French hat nicht die geringste Neigung, die eng- 
lische Expeditionsarmee an der Aisne verbluten zu lassen, während den Deut- 
schert die belgische Rüste ohne Schwertstreich in die Hände fällt. Es ist seiner 
Meinung nach schlimm genug, daß es durch die Unfähigkeit der französischen 
Führer so weit hat kommen können. 
In diese Erörterung trifft die Nachricht vom Fall Antwerpens wie ein 
Hammerschlag. Schon eilen die deutschen Divisionen in Gewaltmärschen auf 
Ostende. Zähneknirschend sehen es die Engländer. Nun gibt Joffre nach, obwohl 
seine Eisenbahnen in Nordfrankreich schon aufs äußerste belastet sind. Die 
Engländer verlassen eiligst die Aisne-Fronr und sammeln sich ostwärts Bou- 
logne bei Hazebrouck. Neu von der Heimatinsel herübergebrachte Divisionen 
stehen schon dort. Rasch wird nach Norden verlängert. Es gelingt French 
gerade noch, östlich Dünkirchen die von Antwerpen herbeigeeilten Belgier in 
seinen Reihen aufzufangen. An deren Fersen hängen schon die Regimenter 
Beselers. 
Das Meer gebietet Halt. Der Gedanke der nördlichen Umfassung hat sich 
ausgelaufen, 'westlich und östlich immer höher hinaufgreifend, wie an den 
Sprossen einer unsichtbaren Leiter, haben die Armeen hüben und drüben die 
Nordsee erreicht. Eine schmale Unterseebootbasis ist gerade noch in deutscher 
Hand geblieben. French braucht Zeit, um seinen Angriff auf sie vorzubereiten. 
Aber Falkenhayn will mehr als diese Basis. Zum letztenmal schickt er sich 
an, durch einen furchtbaren Stoß längs der Rüste das Erstarren der Front zu 
verhindern und den Sieg in offener Feldschlacht herbeizuzwingen. 
☆ 
Die Nächte sind schon kühl in Flandern. Es ist Mitte Oktober. 
Endlos ist das Gewirr von Dörfern, Hecken, Feldern, Pappelalleen und 
TDasserläufen. TDie ein umgeworfener Rinderbaukasten sieht das Land aus. 
Die Straßen sind mit Marschkolonnen angefüllt. Alle wandern westwärts, 
der untergehenden Sonne entgegen. Sie kommen von ihren Ausladeplätzen 
zwischen Gent und südwestlich Brüssel. 
Unter Jünglingen, die eben die Schulbank verlassen, gehen bärtige Man- 
ner. Es ist wie eine "Wanderung der deutschen Universitäten, die eine seltsame 
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