Volltext: Sperrfeuer um Deutschland

denlang steht alles oft still, und niemand weiß, wo das Hindernis ist. In der 
furchtbaren Dunkelheit der Oktobernächte stürzen Fahrzeuge mit Mensch und 
Tier in die Tiefe hinab. Ermattete Infanteristen ertrinken in den Gewässern, 
ohne daß ihre Rameraden ihnen helfen können. tDo ein Lastkraftwagen, ein 
Geschütz, eine protze nicht mehr weiter kann, muß sie in den Abgrund geworfen 
werden. Es gibt zwischen Fels und Tiefe kein Umkehren, kein Beiseiteschieben, 
und der Vormarsch darf nicht unterbrochen werden, wenn alles rechtzeitig am 
Ziel sein soll. 
Es sind Strapazen, wie sie höchstens im serbischen Feldzug zu ertragen 
waren. Damals aber von vollkräftigen, gut ernährten und siegesgewohnten 
Truppen. Heute von Menschen, die seit zwei Jahren nur noch das zu essen be- 
kommen, was von der TDissenschaft als Existenzminimum berechnet ist. Ge- 
duldig und stumm nehmen diese Truppen alles auf sich. Die Österreicher, die 
solchen Heroismus sehen, reißen Mund und Augen auf. 
Diese Bataillone, die sich hier durch die Paßstraßen winden, haben drei 
Jahre Rrieg, drei furchtbare Materialschlachten, Dutzende von Bewegungs- 
schlachten und drei Winter Stellungskampf hinter sich. Sie kennen den Hunger 
und das Grauen und den Tod aus steter Nachbarschaft. Sie waren in Frank- 
reich, in Rußland, in Serbien, in Ungarn, in Rumänien, in Mazedonien und 
abermals in Frankreich. Sie sind ein Teil jener langsam aussterbenden, un- 
verzagten, pflichttreuen und dem Tod verwandten Armee, vor der die ganze 
Weit respektvoll den Hut abzieht. Soldaten eines neuen Typus, Soldaten 
ohne Begeisterung und Freude, Soldaten der Pflicht, der Kameradschaft und 
der Männlichkeit, die keine TDorte macht. 
Sie haben noch keine Aufgabe, die ihnen während dreier Jahre zugemutet 
wurde, unerfüllt gelassen. Sie schaffen es auch dieses Mal mit der Selbstver- 
ständlichkeit, die während dieser drei Jahre ein Teil ihres Wesens geworden ist. 
Halb erfroren, durchnäßt, ausgehungert und durch die furchtbaren Marsch- 
tage fast zur Erschöpfung gebracht, stehen die deutschen Regimenter am 23. Ok- 
tober in den Angriffsräumen. Manche Führer haben Bedenken, die Truppen 
in einem solchen Zustand angreifen zu lassen. Aber General Otto von Below 
befiehlt am Abend des 23., daß der Angriff am kommenden Morgen zu beginnen 
habe. 
☆ 
Im Raum von Flitsch steht die österreichische Gruppe Rrauß auf dem 
Nordflügel der 14. Armee. Im Zentrum, beiderseits Tolmein, sind die deutschen 
Gruppen Stein und Berrer versammelt. Gegenüber droht Gipfel neben 
Gipfel. Schlucht neben Schlucht. Drei feste italienische Stellungen sind in zwei- 
cinhalb Jahren ausgebaut und in die Felsen eingesprengt worden. Fünfund- 
zwanzig Kilometer Hochgebirge — dahinter winkt Cividale mit den Ausläufern 
der venetianischen Ebene. Den Südflügel der Angriffsarmee bildet die öster- 
reichische Gruppe Skotti. 
Den Italienern ist der Aufmarsch nicht verborgen geblieben. Cadorna hat 
den Schwerpunkt seines Heeres vom unteren Isonzo und von Görz nach Nor- 
den verschoben. Die 2. italienische Armee des Generals Capello umfaßt die zu¬ 
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