Volltext: Sperrfeuer um Deutschland

lichst stark in die Schlacht einzutreten. Der Munitionsverbrauch in der Abwehr 
erreicht bald einen solchen Umfang, daß an einem einzigen Tage im Schlacht- 
abschnitt mehr Granaten verfeuert werden als im ganzen Rriege 1870/7). 
Beide Gegner haben alle verfügbaren Bestände an Hilfswaffen herangezogen. 
Die Luft wimmelt von Fliegern. Hier entstehen jene großen Luftschlachten, bei 
denen gleichzeitig achtzig und mehr Maschinen gezählt werden. 
Die Masse der schweren Artillerie ist unabsehbar. Man kann fast sagen, 
daß für mehr Geschütze kein Raum mehr da ist, trotz ihrer Tiefenstaffelung. 
Eine unheimliche Organisation ist erforderlich, um Geschütze und Munition im 
feindlichen Feuer und im Schlamm zu bewegen. 
Hunderte von Tanks sind bereitgestellt. Das Gelände ist fast ideal für ihre 
Verwendung. Erst später wird auch ihnen der Morast zu grundlos. 
Wirkung und Umfang des Materials sind in dieser Schlacht so ungeheuerlich, 
daß der Mensch gleichsam in den Hintergrund gedrängt wird, obwohl es sich doch 
ausschließlich um seine Vernichtung handelt. Er dient nur noch als Objekt, als 
Einsatz. In ^Wirklichkeit kämpft Material gegen Material. Die Feuerwalze, der 
Tank, der Flieger, der Betonklotz, die Schußtabelle, die Statistik und das Nach- 
richtenmittel übernehmen die Hauptrolle. Zwischen ihnen wird der Mensch 
zerrieben. 
Am deutlichsten erkennbar wird die innere Umwandlung des Schlachtgrund- 
satzes in der Abnahme des Infanteriefeuers und der phantastischen Steigerung 
des Artilleriefeuers nach Zeit, Tiefe und Dichte. Ganze Großkampftage werden 
fast ausschließlich von der Artillerie durchgekämpft, die von ihrem Gegner nichts 
sieht, sondern nach Tabellen und Aarten arbeitet. Die Flieger, der Feuerzone 
der Erde entrückt, übernehmen die Rontrolle und die Korrektur des Materials. 
Von der Erde aus ist nichts mehr zu machen. Die Umstände gestatten dort keine 
einheitliche Gefechtsführung und Feuerleitung mehr. 
Das Mißverhältnis zwischen Materialwirkung und Persönlichkeit wird in 
dieser Schlacht tödlich, fast wie hundert zu eins. Die Möglichkeit der persönlich- 
keitswirkung wird auf die Lenkung des Materials beschränkt. Infanteristische 
Tugend bleibt dem kurzen Augenblick vorbehalten, in dem zwischen Feuerwalze 
hüben und Feuerwalze drüben die Reste der beiderseitigen Infanterien einander 
zu Gesicht bekommen. 
Eine halbe Stunde des Großkampftages ist der Persönlichkeit zu wirken 
gestattet, wenn das Material sie bis dahin verschont hat. Alles andere ist Ohn- 
macht, Liegen im Schlammtrichter, gelegentliches Ausweichen in weniger be- 
schossene Räume, Totgeschlagenwerden. Rurzum, alles Rräfte, die auf Vernich- 
tung des persönlichen wertes zielen. Gewinnen muß die Partei, der es gelingt, 
während des ganzen Tages die meisten Menschen und in diesen Menschen die 
meiste Rampfenergie aufgespeichert zu erhalten. Das ist tatsächlich die einzige 
Aufgabe, die dem Menschen zu erfüllen bleibt. Sie ist rein passiv und erfordert 
eine ungeheure Anspannung. 
Der Zufall entscheidet so den Rampf im einzelnen Abschnitt, denn man kann 
die Wirkung des Materials nicht anders bezeichnen. Aus der Mehrheit der Zu- 
fälle hüben und drüben ergibt sich so etwas wie ein Gesamtbild, das man messen 
kann. Das Gesamtbild kommt dadurch zum Ausdruck, daß man nach einiger Zeit 
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