Volltext: Sperrfeuer um Deutschland

Die Abschiedsgesuche Hindenburgs und Ludendorffs sind bereits geschrieben 
und unterwegs vsn Kreuznach nach Berlin. 
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Bethmann ist blaß. Er ist furchtbar überarbeitet. Die Aufregungen der 
letzten Tage sind schlimm gewesen. Er steht auf und erklärt mit leiser 
Stimme, der Kaiser dürfe nicht einen Augenblick lang die Entlassung so ver- 
dienstvoller und von dem einmütigen Vertrauen des Volkes getragener Heer- 
führer in Erwägung ziehen. 
Dann setzt er seinen Vortrag fort, bis zum Ende. Dann geht er. 
Am nächsten Morgen ist sein Abschiedsgesuch da. Hindenburg und Luden- 
dorff sind auf kaiserlichen Defehl abermals aus Kreuznach nach Berlin ge- 
kommen. Der Kaiser empfängt sie sehr kühl und appelliert an ihre militärische 
Disziplin. Zum Schluß der Unterredung teilt er ihnen mit, daß er soeben das 
Gesuch des Kanzlers um seine Entlassung genehmigt habe. 
Nachmittags findet eine Unterredung zwischen Hindenburg, Ludendorff und 
den Führern der politischen Parteien statt. Hindenburg warnt mit ernsten 
N)orten vor der Annahme der Friedensresolution als einem Bekenntnis der 
Schwäche nach außen. Er bittet die Volksvertreter, zu helfen, daß in Deutsch- 
land der Geist der Eintracht, der Zuversicht und des Opferwillens wieder er- 
starke. Er ersucht, dem Heere, das vor neuen schweren Kämpfen stehe, die mo- 
ralische Grundlage der Heimat zu erhalten, ohne die der Soldat seine Aufgabe 
nicht erfüllen könne. 
Die Abgeordneten der Mitte und der Linken legen den Vertretern der 
Obersten Heeresleitung die Beweggründe dar, die sie zur Friedensresolution 
führen. Sie weisen auf die Zustände im Innern hin, auf das Mißtrauen, das 
in weiten Kreisen des Volkes gegen die verantwortlichen Leiter der Politik 
bestehe, von denen man eine klare Absage an jede Eroberungsabsicht verlange. 
Nur durch Vereinigung des größten Teiles des Volkes auf dem Boden eines 
Verständigungsfriedens glauben sie die Voraussetzung zu einem weiteren Durch- 
halten schaffen zu können. Sie machen aufs neue auf die furchtbare Gefahr 
aufmerksam, die nach ihrer Ansicht bestehe, wenn die Regierung und die ver- 
antwortlichen militärischen Stellen nicht eine unzweideutige Haltung in: Sinne 
der Reichstagsmehrheit einnähmen. Sie stellen fest, daß auch jeder neue Kanzler 
sich auf den Boden der zu beschließenden Resolution begeben müsse, wenn man 
den Zwiespalt im Volke nicht noch vertiefen wolle. 
Es erfolgt keine Annäherung. Das Schicksal ist unerbittlich. Niemand ist 
da, der es fertig brächte, alle Gewalten auf ein gemeinsames Ziel zu vereinigen. 
Hindenburg und Ludendorff kehren noch am gleichen Tage in das Haupt- 
quartier zurück. Sie sind sich klar darüber, daß sie nichts erreicht haben. Die 
parlamentarischen Verhandlungen über die Resolution nehmen in Berlin ihren 
Fortgang. 
Der Kaiser ernennt den Ministerialdirektor Dr. Georg Michaelis zum Nach- 
folger Bethmann Hollwegs. Man sagt von ihm, daß er ein vorzüglicher Ver- 
waltungsbeamter sei. Im übrigen ist er bis dahin unbekannt. Seine Ernennung 
ist keine Lösung des Konflikts mit der Mehrheit des Reichstags, noch weniger 
22 Beumelburg, Sperrfeuer, IN. Ausg.
	        
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