Volltext: Sperrfeuer um Deutschland

zu, daß die Deutschen sich durch ihren strategischen Rückzug dem unmittelbar 
vor dem Ausbruch stehenden Generalangriff im Westen entzogen hatten. 
Der ganze Angriffsplan mußte, wenn überhaupt noch durchführbar, um- 
gestellt werden. Wochen gingen darüber hin. Alle Momente, die gegen ihn 
gesprochen hatten, erfuhren eine neue Stärkung. Mit welcher VTot, unter 
welchen kämpfen um die Einheitlichkeit zwischen den Alliierten und zwischen 
Regierung und Militär war dieser Plan zustande gekommen! 
Beim Abschluß der Sommeschlacht hatten Engländer und Franzosen noch 
gehofft, sie würden nach kurzer Zeit, vielleicht schon nach zwei Monaten, im 
gleichen Abschnitt zur Fortsetzung der Schlacht antreten können. Zwei Monate 
XDmterruhe, so rechneten sie, würden ausreichen, um den phantastischen Mate- 
rialverbrauch der letzten vier Monate zu ersetzen und um die Truppen wieder 
angriffsfähig zu machen. Diese Hoffnung half ihnen zunächst, sich über die 
Ergebnislosigkeit ihrer Entscheidungsschlacht hinwegzutäuschen. Die Erfolge 
der Franzosen vor Verdun bestärkten sie in ihrer zuversichtlichen Auffassung. 
Aber dann vollzog sich schlagartig, unaufhaltsam und wie eine Rette schau- 
riger Blitze aufleuchtend der Zusammenbruch Rumäniens. Alle Hoffnungen, die 
man auf den Balkan gesetzt, brachen wie ein Rartenhaus zusammen. Auch 
Sarrail mußte seine mazedonische Offensive beenden. Die Russen gerieten 
unversehens auf ihrem Südsiügel in eine schlimme Gefahr. Griechenland wollte 
sich immer noch nicht fügen, seinen Rönig vom Thron jagen und Venizelos in 
die Arme der Entente und in den Rrieg gegen die Mittelmächte folgen. 
Als man sich unter solchen Veränderungen an die Bilanz des Jahres )9)0 
machte, entstand ein ganz anderes Bild. Die Franzosen hatten furchtbar ge- 
blutet. Die Blüte ihrer Armee war vor Verdun und auf den Ufern der Somme 
geblieben. War auch das Material mit der Hilfe Amerikas ersetzbar, die X)er- 
Hältnisse des Menschenersatzes waren geradezu trostlos. Das Land war von 
einer tiefgehenden Rriegsmüdigkeit ergriffen. Reine Propaganda und kein 
Zeitungsgerede konnte darüber hinwegtäuschen. Schon war das Parlament in 
seiner Mehrheit der Ansicht, Frankreich habe nun genug Opfer für die gemein¬ 
same Sache gebracht, jetzt seien die anderen an der Reihe. 
So stark war die Niedergeschlagenheit, daß die Regierung sogar den großen 
Heros der beiden ersten Rriegsjahre, den vergötterten Sieger in der Marne- 
schlacht, den Retter des Vaterlandes, opfern mußte. Marschall Joffres Ruhm 
starb an der Somme, wie General Falkenhayns Strategie vor Verdun zu- 
gründe ging. 
Wandte Deutschland in höchster Not sein Vertrauen dem Sieger von 
Tannenberg, dem Retter des Ostens zu, so klammerte sich Frankreich an den 
mächtig aufblühenden Ruhm des jungen Generals Nivelle, der als Nachfolger 
petains im Oberkommando der 2. französischen Armee den wütenden Angriff 
der Deutschen vor Verdun in sein Gegenteil verwandelt hatte. Ein strahlender 
Nimbus umgab Nivelles Haupt. In ihm sah man die Jugend, die Energie, 
den Elan und die göttliche Inspiration. Rein anderer hätte es vielleicht fertig 
gebracht, das halb verblutete, kriegsmüde Frankreich zu einem neuen Massen- 
stürm noch größeren Umfanges aufzurufen, petain, dessen Eingreifen in den 
ersten schwarzen Tagen vor Verdun die Rettung der Stadt zu verdanken und 
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