Volltext: Sperrfeuer um Deutschland

Falkenhayn lehnt beide Vorschläge ab. Er hält Rußland für genügend ge- 
schwächt, um ihm mit mäßigen Rräften Schach zu bieten. Eine neue große 
Operation im Osten würde der Entente Gelegenheit geben, ihre ganze Offensiv- 
kraft im ^Westen zu entfalten. Die Engländer haben sich endlich zur Einfüh- 
rung der allgemeinen Wehrpflicht entschlossen. Sie werden im Sommer dop- 
pelt so stark auftreten wie jetzt. Man muß ihnen zuvorkommen. Italien ist ein 
Nebenkriegsschauplatz. Es ist für die Gesamtlage belanglos, ob die Front dort 
am Isonzo oder in der venetianischen Ebene verläuft. Man kann nicht bis 
nach Rom marschieren. 
Frankreich, so sagt Falkenhayn, ist der Gegner, dessen Überwindung es nun 
gilt. Auf allen anderen Fronten muß hinhaltend gekämpft werden. Rann man 
Frankreich durch eine kriegerische Operation davon überzeugen, daß es mili- 
tärisch nichts mehr zu hoffen hat, so ist der Rrieg zu Deutschlands Gunsten 
entschieden. Der energische TDille Englands, Deutschland zu vernichten, den 
Falkenhayn mit scharfem Blick als die stärkste moralische Rraft auf Entente- 
seite erkennt, baut sich auf der Rraft Frankreichs zum Durchhalten auf. Trifft 
man die letztere, so wird dem ersteren die Basis entzogen. Hier liegt die ein- 
zige Möglichkeit zur Beendigung des Rrieges. Sie muß ergriffen werden, 
weil eine so günstige Lage vielleicht nie mehr wiederkehrt. 
Falkenhayns nüchterne Logik ist so zwingend, daß alle maßgebenden In- 
stanzen sich fügen. Noch ist er der Mann, dessen Kriegführung sich im ver¬ 
gangenen Jahre scheinbar glänzend bewährt hat. Noch ist er der Mann, dessen 
'Millenskraft, Umsicht und Rlugheit das deutsche Heer seit dem Unglück an 
der Marne in methodischem, strategischem Aufbau in eine aussichtsreiche An- 
griffsstellung geführt hat. Nur Conrad von Hoetzendorff steht grollend ab- 
seits. Er ist jetzt schon entschlossen, seine eigenen Wege zu gehen. Sein beweg- 
licher Geist erträgt es nicht, sich vor Falkenhayns Zähigkeit zu beugen. Das 
Schicksal hat die Österreicher dafür hart und rasch bestraft. 
XOic gerät dieser nüchterne Rechner Falkenhayn auf den heroischen und fast 
tollkühn erscheinenden Gedanken, X>erdun anzugreifen? Warum sucht er, der 
immer ein Mann der Mittel, und der strategischen Sparsamkeit war, sich ge- 
rade die stärkste Stelle des Feindes zum Angriff aus? Ist es nicht ein altes 
Gesetz der Kriegführung, den Gegner an der schwächsten Stelle zu treffen und 
ihn so aus dem Sattel zu heben? 
Auch hier gibt seine Logik den Ausschlag, obwohl er fast wie ein Wider- 
spruch klingt. Er rechnet, der Massendurchbruch auf breiter Front geht über 
unsere Rraft. Wir müssen mit beschränkten Mitteln arbeiten, um uns nicht zu 
verausgaben und um jederzeit auch auf anderen Fronten eingreifen zu können, 
wenn uns die Lage dazu zwingt. Wir müssen den Feind verhindern, uns aus- 
zuweichen, uns mit schwachen Rräften zu binden und gleichzeitig anderswo an- 
zugreifen. Das können wir nur, wenn wir ihn dort anfassen, wo er keinen 
Meter Boden verlieren darf, ohne ihn mit äußerster Rraft zu verteidigen. 
Das ist Verdun. Wir müssen ein nicht übermäßig starkes, aber dauerhaftes 
Feuer anzünden, in dessen Glut die französische Armee langsam verbrennt. 
Wir müssen das Feuer so anlegen, daß wir die Rraft haben, es lange zu unter- 
halten, damit es seinen Zweck erreicht. Wir müssen eine Saugpumpe ansetzen, 
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