Volltext: Sperrfeuer um Deutschland

Am 20. August 1914 überreicht der japanische Botschafter in Berlin der 
deutschen Regierung ein Ultimatum seines Rabinetts. Japan fordert die un- 
verzügliche Auslieferung des deutschen Pachtgebietes an der Bucht von Riaut- 
schou mit der Hauptstadt Tsingtau. Die Forderung ist durch nichts begründet. 
Der Pachtvertrag ist eine rein deutsch-chinesische Angelegenheit. Aber Japan 
hat ein Seekriegsabkommen mit England. Seine alte Feindschaft gegen Ruß- 
land ist nicht so groß, daß es nicht diese günstige und billige Gelegenheit be- 
nutzen möchte, die deutsche Machtposition in Ostasien zu rauben. 
Der deutsche Reichskanzler läßt dem japanischen Botschafter mitteilen, daß 
er keine Antwort zu geben habe. Der Kriegszustand mit Japan ist da. 
In Tsingtau führt Rapitän zur See Meyer-Waldeck das Rommando. Man 
ist auf nichts eingerichtet, kein Mensch hat an Rrieg gedacht. Der Rapitän 
weiß, daß sein Posten nach der japanischen Kriegserklärung ein verlorener ist. 
Am 24. August telegraphiert er an den deutschen Raiser: „Einstehe für Pflicht- 
erfüllung bis zum äußersten." 
Mitte September sind die Japaner da. Sie haben 50000 Mann mit )50 
Geschützen aller Raliber gelandet. Anderthalb Tausend Engländer sind bei den 
Japanern. Sie stehn auf chinesischem Boden — aber was kehren sich England 
und Japan daran* Was stört es die Vereinigten Staaten von Amerika* Japa- 
nische und englische Rreuzer übernehmen die Seeblockade. 
Meyer-Waldeck hat das III. Seebataillon zu seiner Verfügung. Die Be- 
satzungen der Ranonenboote „Iltis", „Jaguar", „Luchs", „Tiger" und „Tor- 
moran" verstärken die Truppen. Man braucht die Geschütze dieser Boote auf 
dem Lande, weil man fast gar keine Artillerie hat. 
Dem österreichisch-ungarischen Rreuzer „Raiserin Elisabeth", einem alten 
Schiff ohne Gefechtswert, geht es nicht besser. Ein einziges Torpedoboot, „8 90", 
bildet die Seestreitmacht. 
Tausend deutsche Reservisten strömen aus den Handelsniederlassungen in 
China herbei. So sind es insgesamt etwa 5000 Mann, die zu schießen verstehen. 
Euer über die Landzunge von Riautschou geht eine rasch angelegte deutsche 
Feldstellung. *3ach starker Artilleriebeschießung beginnt der Infanterieangriff. 
Die kleinen Japaner sind zäh. Man weiß das aus dem Rriege mit Rußland, 
als sie Port Arthur stürmten. Der Rampf um befestigte Stellungen ist ihre 
Spezialität. Hier stempelt ihre vielfache Übermacht den Rampf von vornherein 
mit der Gewißheit des deutschen Untergangs. 
Graben auf Graben geht in täglichen Gefechten verloren. Die Mittel zur 
'Miedereinnahme fehlen. Vor allem sind nicht genug Patronen da. Man muß 
ungeheuer sparsam damit umgehen. Die Lebensmittel sind streng rationiert. 
„8 90" bricht durch die englisch-japanische Blockade, torpediert den japani- 
schen Rreuzer „Takatschio", läuft freiwillig auf Strand und läßt seine Be- 
satzung in China internieren. 
Als die letzte Granate, die letzte Patrone verschossen und der letzte Zwieback 
gegessen, als die Feinde unmittelbar vor der brennenden Stadt stehen, macht 
Meyer-N)aldeck dem unnötigen Blutvergießen ein Ende. Viertausend Deutsche 
geraten in japanische Gefangenschaft. Die blutigen Verluste der Angreifer be- 
Ziffern sich auf das Vierfache. 
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