Volltext: Vom 9. Dezember 1914 bis 4. März 1915 (9.)

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lief) der Zurückziehung jeder Diskussion unsererseits über 
Kompensationen gemäß Artikel VII des Dreibundsvertrags 
und des Einspruchs, den wir gegen jede österreichisch-- 
ungarische Aktion aus Idem Balkan jedesmal erheben würden, 
wo nicht vorher ein Abkommen mit uns erfolgt wäre. Nach¬ 
dem er von den Dingen, die ich ihm sagte, Kenntnis ge¬ 
nommen, frug er mich, wobei er sich in vertraulichem Tone 
an mich wandte, ob nicht, wo wir hier abseits jeder Amtlich- 
feit sprächen,, ich selbst glaubte, daß, wenn Oesterreich sich 
hartnäckig weigern sollte, uns etwas in Sachen des Trentino 
zuzugestehen, sich irgendein Gebiet fände, sei es in Albanien 
oder sonstwo, auf das man die Erörterung der Italien zuzu¬ 
sichernden Vorteile verlegen könnte, um das große Unheil des 
Krieges zwischen unseren Ländern zu vermeiden. 
Ich erwiderte, ich hätte stets mit völliger Aufrichtigkeit 
gesprochen und ich sei bereit, ihm außerhalb jedes amtlichen 
Charakters meine innerste und tiefe Überzeugung auszu¬ 
drücken; 'ich wolle zurzeit nicht in eine Erörterung über bas 
Mehr oder Weniger an Zugeständnissen eintreten, die ge¬ 
nügen könnten, um dadurch^, daß sie einigermaßen die 
nationalen Wünsche befriedigten, unsere Neutralität zu 
sichern; über bas Mehr ober Weniger könnten Zweifel oder 
Meinungsverschiedenheiten obwalten; außerhalb jedoch dieser 
Grundlage von Zugeständnissen sei kein Verhandeln möglich. 
Es handle sich nicht um Gier nach Eroberungen noch um 
Ambitionen der Großmannssucht; es handle sich vielmehr um 
die empfindlichste Seite der Volksseele, um das National¬ 
gefühl. m 
Wie ich ihm schon einmal angedeutet hätte, fände bre 
favoyische Monarchie ihre tiefste Wurzel in der Personifizie¬ 
rung der nationalen Idealität; so stark sei diese Wurzel, daß 
sie (die Monarchie) habe regieren und siegen können im An¬ 
gesicht und im langen Streit mit dem Papsttum und angesichts 
des Ansturms des Sozialismus in seiner revolutionärsten 
Periode. 
Daher gäbe es außerhalb der Konzessionen, die geeignet 
wären, wenigstens bis zu einem gewissen Grade das Nationfli¬ 
tz efühl zu befriedigen, keine Basis für die Diskussion. 
Alles dieses hänge nicht ab vom Willen ober von der 
Laune des einen oder anderen Ministeriums ; die Flutwelle der 
öffentlichen Meinung würde über jedwede sonstige Frage hin¬ 
wegschlagen, würde jede andere Macht hinwegschwemmen und 
jederlei Hindernis „überrumpeln"; sie zu zähmen würden sub¬ 
tile Beweisführungen oder düstere Prophezeiungen oder die 
vergrößernde Ausmalung von Gefahren nicht vermögen. 
In Wien wolle oder könne man von dieser Situation sich 
nicht überzeugen und man hielte dafür, daß alles „B l u f f"
	        
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