Volltext: Heinrich Wottawa

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Ort seiner jährlichen Sommerfrische wählte, wo er schon durch 
seine Wohnung im Pfarrhofe und die Benützung des dortigen 
Klavieres mit dem Pfarrer im steten Verkehre stand, begann er 
sich gleichfalls für die Arbeiten des Gmundener Meisters zu 
interessieren. Klinger machte auch Hadert auf den damaligen 
Lehrer an den Horakschen Schulen aufmerksam und vermittelte 
die persönliche Bekanntschaft beider. Einige der Werke Haberts 
lernte Wottawa gleich anfangs in Taufkirchen kennen. Wenige 
Monate nachher, am 16. November 1890, hörte er in Wien eine 
der ungedruckten Habertschen Messen. Er schrieb hierüber an 
Klinger:*) „Mit Freude sei Ihnen noch Mitteilung gemacht, 
daß ich — zum ersten Male — ein Werk Haberts unter Kretsch- 
manns Direktion in der Votivkirche hörte. Der Eindruck aus mich 
war ein gewaltiger! Vielleicht mag das Gotteshaus in seiner 
einzig dastehenden gotischen Stilpracht viel Einfluß für die 
günstige Aufnahme solch streng antiker Werke ausüben — kann 
ich doch die Votivkirche wahrlich als eine ,versteinerte Fuge' 
bezeichnen —, eines aber steht fest: Joh. Ev. Hadert ist ein 
großer Meister, dem ich meine wahre Ehrerbietung und Be 
wunderung entgegenbringe. Ein Lerwäietus, das einen — ich 
möchte sagen — gewissen ,Fugen-Refrain' hat, rührte mich zu 
Tränen. Das Lauetus fiel mir als direkt originell auf. Auch 
die übrigen Meßteile imponieren — nicht der Menge und nicht 
der Zeit, denn diese hat längst den Sinn für Tiefes und 
Klassisches verlassen — aber dem denkenden Musiker, dem ler 
nenden Komponisten, für den der ,Gmundener Bach' auf immer 
die Schule korrekten Kontrapunktes liefern kann. Also — Hadert 
ist ein ganzer Mann, ich freue mich, in seine Muse eingedrungen 
zu sein." 
Natürlich war Klinger über diese Zuschrift hoch erfreut. 
Er sandte sie^) an Hadert, wobei er nochmals wie schon früher 
die musikalische Bildung des Mannes hervorhob, der so urteile: 
„Herr Wottawa", so schrieb er, hielt in Wien am 3. Dezember 
l. I. ein eigenes Konzert, bei dem er sich als Pianist mit sen 
sationellem Erfolg produzierte. Nach Linz hat er, wie ich Ihnen 
schon mitgeteilt, zur eventuellen Aufführung in einem Musik 
vereinskonzert sein hier geschriebenes Divertissement eingesendet. 
Er ist ein eminenter Pianist, aber auch ein Komponist, der eine 
gute Schule durchgemacht hat und den Kontrapunkt versteht, 
Spielte er doch bei mir wie oft aus dem Stegreife kunstgerechte 
Fugen, z. B. zum Schluß von improvisierten Variationen, mit 
spielender Leichtigkeit. Wie viele wären imstande, ihm so etwas 
nachzumachen? Um so wertvoller ist das Urteil, das er über 
Sie gefällt hat." 
9. Dezember 1890. 
2) 10. Dezember 1890. 
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