Volltext: Sagen und Legenden aus dem Mondseelande

Sagen- und Legendenkreise des Mondseegebietes 
I Sagen. 
Von Michael Lindenthaler. 
I. Ortsscgen. 
L Die Entstehung des Mond¬ 
sees. 
Der Mondsee füllt mit seiner grünen 
Flut den tiefen Grund aus. der sich vom 
Nordufer gegen den Schafberg zu in den 
Kalkboden hineinsenkt. Dieser Seegrund 
steigt jedoch im ersten Drittel zu be¬ 
deutender Höhe an. um plötzlich wieder 
in eine Tiefe von vierzig Metern hinab- 
zufallen. 
Diese Erhebung liegt am Kreu¬ 
zungspunkte der Linien Westertal am 
Gugelhupfberge bis zur Spitze des gol¬ 
denen Kreuzes am Hilfbergkirchlein 
einerseits und vom Hause des Leidin¬ 
gerfischers bis zu den Kirchtürmen von 
St. Lorenz anderseits. Hier sieht man. 
besonders im Frühjahre und im Herbste, 
wenn infolge der niedrigen Temperatur 
dos Wasser die nötige Klarheit besitzt, 
der Sage nach, die Zinnen einer Burg 
und die Spitze eines Kirchturms herauf¬ 
leuchten. Den Hügel nennen die Fischer 
heute noch den Leidingerhügel. 
Vor uralten Zeiten soll auf diesem 
Hügel eine Burg gestanden sein, um 
die sich die fruchtbarsten Felder und 
Wiesen ausbreiteten. Angelockt durch 
die Milde und Güte des Burgherrn ha¬ 
ben sich nun bald Leute um den Hügel 
angesiedelt und eine Kirche zu Ehren 
der Gottesmutter erbaut. Der letzte Be¬ 
sitzer dieses Schlosses zeigte sich aber 
seiner Ahnen nicht mehr würdig und 
trieb arges Räuberunwesen. 
Darum sollte ihn die Gerechtigkeit 
Gottes ereilen. Eines Rachts erschien die 
heilige Jungfrau dem Priester des Ortes 
und lieh durch ihn die Bewohner auf¬ 
fordern, den Platz zu verlassen. Und 
so geschah es auch. 
Als die Leute mit ihren Habselig¬ 
keiten fortzogen und sich da ansiedelten, 
wo jetzt der Markt Mondsee liegt, lachte 
der Ritter über ihr tolles Beginnen 
und verbrachte mit seinen Trinkgesellen 
den ganzen Tag bis in die Rächt hinein. 
Gegen Morgen zog ein schweres Ge¬ 
witter am Westhimmel auf und blieb 
über der Burg stehen. Gewaltige Don¬ 
nerschläge durchtobten das reizend ge¬ 
legene Tal, zündende Blitze fuhren pras¬ 
selnd aus den Wolken und schlugen in 
die Burg ein. Bald sank diese unter und 
das ganze Tal füllte sich mit Wasser, 
das aus des Himmels Schleusen kam 
und auch sonst überall aus unterirdischen 
Spalten hervorquoll. Ritter und Zech» 
genossen waren in den Fluten umge¬ 
kommen, die Burg und die Kirche samt 
den ehemaligen Wohnstätten, Felder und 
Fluren waren verschwunden. Das große 
Gewässer aber, das nun die Gegend 
ausfüllte, erhielt seiner mondförmigen 
Gestalt wegen den Rainen Mond- 
s e e. 
Ein Fischer, der noch vor fünfzig 
(Jahren lebte, sah wiederholt die Zinnen 
der versunkenen Burg und die Svitze 
des Kirchturmes aus den klaren Wogen 
herausbilden und glaubte, auch die joh¬ 
lenden Stimmen der wilden Zecher ver¬ 
nommen zu haben. 
i
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.