Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

190 Die Entwicklung der Schlachtlinie im Westen bis zum Kana 
sehr schwierig, da die Belgier wissen, daß man sie nicht verhungern läßt. Nichtsdesto 
weniger kann man doch nicht von Unterstützungen leben und darum ist es eine Haupt 
sache für Belgien, daß es wieder zu arbeiten beginnt. Zeichen einer erfreulichen Ver 
änderung sind allerdings schon wahrzunehmen." 
Die deutsche Zivilverwaltung hat es von Anfang an als ihre besondere Ausgabe be 
trachtet, die belgische Industrie, zunächst soweit sie nicht unmittelbar mit den Heeres 
bedürfnissen in Zusammenhang steht, neu zu beleben. Der Geheime Oberbergrat Born 
hardt vom Handelsministerium in Berlin und Bergassessor Dr. Scheffer aus Dortmund 
sind mit der Leitung dieses Zivilverwaltungszweiges betraut. Es handelte sich zuerst 
darum, den Kohlenbergbau wieder in Betrieb zu bringen. Da man bei den Unter 
nehmern aus Bereitwilligkeit stieß, war es nicht nötig, besondere Maßregeln zu ergreifen. 
Man überließ auch die Aufsicht und die Verantwortung für den Betrieb den belgischen 
Bergbehörden. Die Zivilverwaltung richtete ihr Bemühen hauptsächlich auf die Schaffung 
von Transportmöglichkeiten. Da die Eisenbahnen vollkommen von den Militärbehörden 
mit Beschlag belegt wurden und selbstverständlich zunächst den militärischen Interessen 
dienen, mußte durch Verhandlungen mit dem Militärgouvernement die Einrichtung von 
Gütertransporten durchgesetzt werden. Die Militärbehörden zeigten großes Entgegen 
kommen. Man erreichte auch, daß die Vizinalbahnen ihren Betrieb zum großen Teil 
wieder aufnahmen. Ferner wurde der im Umbau befindliche Kanal Charleroi-Brüssel 
wieder geöffnet. So wird Brüssel, das vor der Kohlennot stand, für den Winter 
ausreichend mit Kohle versorgt werden. Denn in den Bezirken von Lüttich, Charleroi 
und Mons haben die meisten Zechen die Förderung wieder aufgenommen. Das Rheinisch- 
Westfälische Kohlensyndikat, das bisher eine Niederlage in Antwerpen hatte und Belgien 
hauptsächlich mit Gaskohle versah, hat ein neues Bureau in Lüttich errichtet. 
Die Kohlenversorgung interessiert besonders auch die Zuckerfabriken, die durch 
weg geneigt sind, die Arbeit aufzunehmen, da sie eine gute Ernte haben. Ihre Hoff 
nungen werden kaum enttäuscht werden. Die Rohstoff-Versorgung aller übrigen Indu 
strien wird ebenfalls von der Zivilverwaltung ins Auge gefaßt. Die Militärverwaltung 
hat zwar alle Vorräte, die sie braucht, beschlagnahmt. Aber es sind Verhandlungen 
im Gange, um die Ueberschüsse der Privatindustrie zugänglich zu machen. 
Die deutsche Regierung hat mit ihrem raschen Eingreifen jedenfalls etwas geleistet, 
was in keinem früheren Krieg geleistet wurde. Einen Monat nach der Besetzung des 
Landes fängt man bereits auf den verschiedensten Gebieten wieder an, die verlassene 
Tätigkeit neu aufzunehmen. Der Erfolg wurde leider bedeutend beeinträchtigt durch 
einen Aufruf der belgischen Regierung an die jungen Belgier, sich zum Kriegsdienst zu 
melden. Der belgischen Armee hat der Aufruf nichts genützt, aber dem Lande hat er 
sehr geschadet. Die deutschen Behörden begegneten ihm durch eine Proklamation, die 
in der Lütticher Fassung folgendermaßen lautet: „Eingegangenen Nachrichten zufolge 
beabsichtigt die belgische Regierung drei weitere Jahrgänge zur Armee einzuziehen. Diese 
Einziehung ist auf Befehl des deutschen Generalgouverneurs zu verhindern. Ich be 
stimme daher, daß die belgischen Behörden sich jeder Mitwirkung bei dieser Einziehung 
enthalten und daß sie die Listen der Wehrpflichtigen sofort an das Gouvernement Lüttich 
einsenden. Widrigenfalls erfolgt Beschlagnahme und, wenn die erwähnten Listen nicht 
bis zum 5. Oktober hier eingehen, Bestrafung der verantwortlichen belgischen Beamten. 
Den belgischen Wehrpflichtigen wird es verboten, den an sie etwa ergangenen oder noch 
ergehenden Einberufungen Folge zu leisten. Zuwiderhandlungen gegen diesen Befehl 
haben strenge Bestrafungen zur Folge, und auch die Angehörigen der belgischen 
Wehrpflichtigen werden zur Verantwortung gezogen werden, sobald sie die Gestellung 
nicht verhindern."
	        
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