Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

188 Die Entwicklung der Schlachtlinie im Westen bis zum Kanal 
den, denen immer noch die erforderliche Kenntnis der lokalen Verhältnisse fehlen würde. 
Es kommt also darauf an, aus den vorhandenen Resten des staatlichen Organismus 
einen Notbau aufzuführen und ihn so weit zu beaufsichtigen, daß er nicht gegen die 
deutschen Interessen mißbraucht werden kann. In Belgien sind eigentlich nur die Spitzen 
der einzelnen Verwaltungszweige flüchtig geworden. Die Ministerien waren mit dem 
belgischen Heere in das belagerte Antwerpen übergesiedelt. Die mittleren und unteren 
Beamten sind, soweit sie nicht zum belgischen Heeresdienst einrückten, meist an Ort und 
Stelle verblieben. Die deutsche Zivilverwaltung muß nun versuchen, mit Hilfe dieser 
Beamten das öffentliche Leben in Gang zu bringen. 
Was zunächst die reinen Verwaltungsbehörden betrifft, so treten die Militär 
gouvernements für einen großen Teil des Verwaltungsbereiches ein, nämlich für die 
Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit. Sie organisieren die Polizei und bedienen 
sich dazu der belgischen „xaräv civique“, wo diese sich dazu bereit erklärte, natürlich stets 
unter der Ueberwachung durch deutsche Truppen. Für den ganzen übrigen Bereich der 
Zivilverwaltung ist ein „Verwaltungschef beim Generalgouvernement" als verantwort 
licher Leiter eingesetzt worden. Der Posten wurde dem Regierungspräsidenten von Aachen 
v. Sandt übertragen (vgl. I, S. 224). Unter ihm arbeitet ein Stab höherer Beamten 
in den einzelnen Ressorts. Ein in drei Sprachen (deutsch, französisch, flämisch) erschei 
nendes „Gesetz- und Verordnungsblatt für die okkupierten Gebiete Belgiens" ersetzt das 
fehlende belgische Amtsblatt. 
Die einheimischen Verwaltungsbeamten in der Provinz sind ziemlich ausnahmslos aus 
ihrm Posten verblieben. Sie können überall, wo die Militärbehörde nicht an ihre 
Stelle tritt, ruhig ihre Tätigkeit ausüben. Genau so verhält es sich mit der Rechts 
pflege. Nach der ersten Ueberraschung haben sich die Staatsanwaltschaften und die 
Gerichte wieder konstituiert. 
Die Finanz- und Steuerbehörden haben ebenfalls angefangen, ihren Dienst 
aufzunehmen. Hier ist die Ueberwachung durch deutsche Beamte natürlich strenger, da 
die eingehenden Gelder nicht an die belgische Regierung ausgeliefert werden dürfen. Die 
Einkünfte sollen nun dazu dienen, die Kosten des ganzen Verwaltungsapparates zu 
decken. Auf diesem Gebiete ist die Mitarbeit der belgischen Beamten am notwendigsten, 
denn es wäre schwer, für die Deutschen neue Steuerrollen anzulegen. Auch die in 
direkten Steuern und Zölle werden in der bisherigen Weise eingezogen. An der zoll 
politischen Stellung Belgiens wurde durch die Okkupation und die Errichtung eines 
deutschen Generalgouvernements nichts geändert. Belgien gilt Deutschland gegenüber 
zollpolitisch als Ausland. 
Post und Telegraph greifen am tiefsten in die militärischen Interessen ein und 
leiden darum noch am meisten. Die deuffchen Postämter in Lüttich und Namur dienen 
in erster Linie der Feldpost. In Brüssel haben sich bei der geplanten Errichtung eines 
allgemein zugänglichen Postdienstes Schwierigkeiten ergeben. Die unteren Beamten sind 
nicht geneigt, mit der deutschen Verwaltung zusammenzuarbeiten. Bisher bestand in 
Brüssel ein lokaler Dienst mit drei Verteilungen am Tag. Die Postämter selbst waren 
zwar geschloffen, aber die Briefträger hatten einen Vorrat von Briefmarken. Diesen 
Rest der belgischen Organisation wollte man an die deutsche Post anschließen, aber die 
Verhandlungen sind noch nicht zu einem Abschluß gediehen. Von deutscher Seite aus 
will man den Postdienst aus das ganze okkupierte Gebiet ausdehnen, natürlich unter den 
Einschränkungen, die das militärische Interesse gebietet (offene Briefe usw.). Zur Fran 
kierung sollen die deutschen Briefmarken mit einem Aufdruck in belgischer Währung 
verwendet werden. Auch die bisherigen Tarife sollen beibehalten werden. Für Privat 
telegramme sah man eine Höchstzahl von 15 Worten vor.
	        
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