Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Der Zusammenbruch der belgisch-englischen Armee 173 
daß die deutschen Okkupationsbehörden sich ausdrücklich verpflichteten, entgegenkommend 
und wohlwollend gegen alle Zurückkehrenden zu verfahren. Allerdings ist ja vorher in 
Belgien so unglaublich auf die Irreführung und Aufstachelung des unglücklichen Volkes 
hingearbeitet worden, daß die holländischen Beruhigungsversuche nicht recht verfangen 
wollen." Erst in den folgenden Wochen begann der Flüchtlingsstrom sich allmählich 
etwas zu verlaufen. 
DerZusammenbruchderbelgisch-englischenArmee 
Die Flucht aus Antwerpen und die Entwaffnung belgischer und englischer 
Truppen in Holland 
Am 8. Oktober konnten sich die Engländer, in deren Hände Antwerpens Schicksal 
gelegt war, nicht länger verhehlen, daß sie der deutschen Beschießung höchstens noch 
kurze Zeit würden widerstehen können. So begannen sie den Rückzug vorzubereiten. 
In der Nacht und am andern Tage zog der größte Teil der belgischen Feldarmee über 
St. Nikolaas und Brügge dicht unter der niederländischen Grenze nach Westen ab, da 
man mit Grund fürchtete, die Deutschen könnten durch einen Vorstoß nach Westen den 
Abzug der belgischen Armee nach der französischen Grenze verhindern (vgl. S. 155). 
Am 9. Oktober nachmittags beschlossen auch die Engländer den Rückzug und mit 
ihnen die letzten belgischen Fortbesatzungen, soweit sie nicht in Zivilkleidung über die 
holländische Grenze flohen. Im gegebenen Augenblick wurden die Forts Schooten, 
Brasschaet, Merxem, Capellen, Lille, St. Gillis und Eversele in die Luft gesprengt; 
uuf den Trümmern wurde die weiße Flagge gehißt. 
Wohl war der Abzug der englisch-belgischen Kräfte von starken Truppen geschützt, 
aber es war nur Infanterie, während die Deutschen mit Artillerie von Dendermonde 
«ach St. Nikolaas aufmarschierten, um dem Feind in die Flanken zu fallen. Sitz 
griffen mit voller Wucht an; ihre Schrapnells, die aus einer Entfernung von acht Kilo 
metern kamen und mit verblüffender Sicherheit einschlugen, verursachten eine fürchter 
liche Panik unter der feindlichen Nachhut. Die Engländer empfingen diese Feuertaufe 
mit dem gewohnten Gleichmut, aber die Belgier waren der Verzweiflung nahe. Die 
Offiziere riefen den Mannschaften zu, ruhig zu bleiben; es half nichts. Sie wollten 
fort aus dem mörderischen Regen von Blei und Eisen, den der unsichtbare Feind auf 
sie herniedersandte. Sie hatten nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: auszuharren 
und zu kämpfen bis zum letzten Mann, oder über die Grenze der neutralen Niederlande 
zu fliehen. Auch die Engländer wählten das letztere, und so eilten sie nach Holland, 
ununterbrochen verfolgt von dem Feuer der deutschen Kanonen. In der Nähe von 
Elinge im Süden von Hülst lieferten sie ihre Waffen an die holländischen Soldaten ab. 
Mn Teil erreichte das neutrale Gebiet nicht mehr und wurde von den Deutschen um 
zingelt und gefangen genommen. 
Der Führer der englischen Seedivision (im ganzen hatten die Engländer eine Brigade 
Marineinfanterie, zwei Brigaden Matrosen und eine geringe Anzahl schwerer Schiffs 
geschütze nach Antwerpen geschickt) war Generalmajor Paris. In seinem dienstlichen 
Bericht an die Admiralität gibt er folgende Schilderung des englischen Rück 
zugs: „In der Nacht des 8. Oktober begann die Beschießung von Stadt, Forts und 
Laufgräben. Da die Wasserleitung abgeschnitten war, waren Löschversuche unmöglich, 
und bald standen viele Häuser in Brand. Zum Glück wehte kein Wind, sonst wäre 
vielleicht die ganze Stadt vernichtet worden. Am 8. ergab sich, daß das belgische Heer 
Lie Forts nicht lange mehr halten konnte. Gegen halb 6 Uhr begriff ich, daß ein so-
	        
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