Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

158 Die Entwicklung der Schlachtlinie im Westen bis zum Kanal 
Von hier fuhren wir nach dem Platze, wo eine Batterie unserer 42 Zentimeter- 
Mörser das feindliche Fort Wavre-St. Catherine bearbeitet hatte. Eine tiefe Bau 
grube mit starken Trägern hatte das Fundament eines jeden dieser Riesendinger ge 
bildet. Vor der Batterie standen einige Häuser. Bei ihnen waren durch die furchtbare 
Erschütterung der Detonation die Dachziegel teilweise abgehoben und die Fensterscheiben 
natürlich sämtlich gesprungen. Um jeden Handstreich gegen diese Geschütze zu verhüten, 
waren während deren Tätigkeit rundherum besondere Sicherungsabteilungen von In 
fanterie und eine ganze Anzahl von Maschinengewehren bereitgestellt worden, von denen 
letztere vor allem auch Fliegerangriffe abzuwehren bestimmt waren. Man erzählte uns, 
mit welcher Sparsamkeit mit der Munition dieser schwersten Mörser umgegangen worden 
ist. Unsere 42 Zentimeter-Mörser erhoben erst ihre Stimme, wenn ihre Entfernung 
durch leichtere Kaliber auf das genaueste festgelegt war. Tann warfen sie auf etwa 
12 Kilometer Entfernung eine Anzahl ihrer großen Granaten in das zu beschießende 
Fort, und nachdem dieses gründlich zerstört war, überließen sie es der leichten Artillerie, 
den Kampf weiter fortzuführen. 
Dann besuchten wir ein Kloster, das in ein großes Feldlazarett umgewandelt worden 
war, in dem Schwestern vom Sacre-Coeur tätig waren. Während der ersten Kämpfe 
in dieser Gegend hatte man versucht, Nachrichten über die Lage der Schüsse der bel 
gischen Artillerie und deren Wirkung dadurch vom Kloster aus nach den belgischen 
Artilleriestellungen hinüber zu berichten, daß man die Stellung der Rote-Kreuz-Flaggen 
an den Fenstern wechselte. Die Geschichte fiel schließlich einem deutschen Offizier auf, 
dessen Truppen in der Nähe des Klosters standen. Er ließ die Rote-Kreuz-Flaggen ent 
fernen und den Schwestern bestellen, wenn ihnen nun in das Kloster hineingeschossen 
würde, so sollten sie sich bei den freundlichen Signalisten bedanken... 
Wir gelangten nach Hever. Dort hatten die Belgier, um unsere rückwärtigen Verbin 
dungen zu stören und wenn möglich auch unseren bekanntlich auf Schienen stehenden 
großen Kalibern eins auszuwischen, vier Lokomotiven mit etwa einem halben Dutzend 
mit Steinen und Sand beladener Wagen mit Volldampf, natürlich ohne Besatzung, aus 
Antwerpen auslaufen lassen. Aber die Deutschen waren klüger. In der Voraussicht, 
daß die Belgier dieses Manöver wohl einmal probieren könnten, hatten sie an einer außer 
ordentlich günstig in freiem Felde belegenen Stelle eine Barrikade aufgerichtet, die stark 
genug war, um diesen Anprall auszuhalten. Als daher der Zug angesaust kam, fuhr er 
mit Volldampf auf die Barrikade auf. Ein fürchterliches Durcheinander bot sich unseren 
Blicken dar. Die zweite Lokomotive hatte sich hochaufgebäumt und aus die erste gesetzt, 
die zerschmettert und umgeworfen an der Erde lag. Dann kamen Wagentrümmer und 
dann wieder zwei Lokomotiven. Das Ganze ist derartig ineinander verkeilt, daß die 
Belgier es später werden sprengen müssen. Inzwischen bauten die Deutschen im Laufe 
von zwei Tagen eine Umgehungsbahn und damit war der Vorfall für sie erledigt. Den 
selben Versuch hatten übrigens die Belgier auch schon vorher auf der Strecke von 
Haecht gemacht. 
Auf gerader Straße ging dann unsere Fahrt nach Mecheln hinein. Am Südeingang 
von Mecheln befindet sich eine sehr geschickt angelegte Straßensperre mit einer derart 
gewundenen Durchfahrt, daß ein Automobil nur in langsamem Tempo durchzufahren 
imstande ist. Mecheln bietet einen ganz eigenartigen Anblick: die Stadt von fast 
60000 Einwohnern ist gänzlich verlassen. Kein Mensch weit und breit. Leer liegen 
Straßen und Gassen und nur der Schritt deutscher Truppen hallt auf den menschenleeren 
Straßen. Von fern grollt der Kanonendonner, die Beschießung von Antwerpen ist flott 
im Gange. In der Rue Henswpk liegen einige durch Granaten zerstörte Häuser. Mecheln 
ist in den Kämpfen um Antwerpen doppelt beschossen worden, und es ist eigentlich wunder-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.