Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

172 Die Kämpfe an der Westfront bis Mitte Januar 1915 
Ruhe und großen Schießtüchtigkeit ihrer Infanterie zu verdanken, die den Feind kalt 
blütig aufs Korn nimmt, wenn er auf wirksame Schußweite herangekommen ist. 
Was die Leute bei diesem Wetter in den Schützengräben auszuhalten haben, ist un 
beschreiblich. Ohne die vorzügliche Verpflegung wären die Abgänge ungeheuer. An 
einigen Orten stehen die Schützen zuweilen bis über die Knie im Schlamm und Wasser, 
das sich in dem undurchlässigen Lehmboden der Woövre überall ansammelt. Abzugs 
gräben helfen nicht immer. Ein Abzugsgraben, durch den ein langer Schützengraben 
entwässert worden war, wurde durch einen einzigen Granatschuß verstopft, und sofort 
stieg den Leuten das Grundwasser wieder bis an die Knie. .. 
Dem mißglückten Vorstoß vom 12. Dezember 1914 folgte am 14. Dezember ein zweiter, der 
aber keine Kraft mehr hatte und gleich in der Einleitung zusammenbrach. Die Infanterie 
war nach dem ersten Anlauf nicht mehr weiter vorzubringen. Seither lassen es die 
Franzosen bei einer fortgesetzten Kanonade bewenden, die den Deutschen immerhin einige 
Verluste bringt. Auch die deutschen Batterien sind in voller Tätigkeit und erwidern das 
französische Feuer. Für die allgemeine Kriegslage haben diese Gefechte im Zusammen 
hang mit anderen ähnlichen Charakters, die in diesen Tagen stattgefunden haben, in 
sofern eine Bedeutung, als sie zeigen, daß die deutsche Schlachtfront allenthalben stark 
genug ist, um die gewonnenen Stellungen zu halten, bis der Zeitpunkt gekommen sein 
wird, um selbst zum Angriff überzugehen." 
Bei den Verteidigern von Verdun 
Der Pariser Mitarbeiter der „Times" hat Gelegenheit gehabt, Verdun und seine Ver 
teidigungswerke zu besichtigen, und schreibt über seine Eindrücke: „Die französischen 
Stellungen sind weit vorgeschoben; weit außerhalb der Forts liegen die Franzosen 
den Deutschen in den Schützengräben gegenüber, stellenweise nur zwanzig bis dreißig 
Meter voneinander entfernt. Von einer eigentlichen Belagerung merkt man demgemäß 
— außer dem Donner der Geschütze — wenig; vor allem ist die Stadt reichlich 
mit Lebensmitteln versorgt. Beim Beginn des Krieges hat sich nämlich die Zivilbevöl 
kerung von Verdun in Erwartung der Belagerung aus Paris verproviantiert; zudem 
sind 7000 Einwohner aus der Stadt geschickt worden, so daß jetzt viel zu essen, aber 
nur wenige Esser da sind." General Sarrail, bei dem der „Times"-Berichterstatter 
viel Entgegenkommen fand, erklärte dem Engländer, seiner Meinung nach bedeute eine 
belagerte Stadt schon eine genommene Stadt, und daher suche er Verdun durch den 
Feldkampf so lange wie möglich zu halten. Der Punkt, an dem die Deutschen am 
dichtesten an Verdun herangekommen seien, sei Jumelles d'Ormes (im Nordnordosten), wo 
sie in dreizehn Kilometer Abstand einen Doppelhügel besetzt haben. Da General Sar 
rail eingesehen hat, daß der Fortgürtel, der vor wenigen Monaten noch für modern 
galt, jetzt unwirksam ist, hat er jede Höhe und jedes Tal meilenweit im Umkreise mit 
Schützengräben und Stacheldrahthindernissen versehen lassen, so daß das Land um Ver 
dun eine gewisse Aehnlichkeit mit den Weinfeldern der Champagne im Herbst hat. „In 
den Tälern," schreibt der Engländer, „durch die wir auf dem Wege zu einem geeigneten 
Punkt der Maashöhen kamen, von wo aus wir das Artillerieduell beobachten sollten, 
bekamen wir einen guten Einblick. Regimenter waren daran, neue Wege anzulegen und 
die alten auszubessern, die durch den beständigen Strom der Transporte abgenutzt 
waren; im Walde waren andere Regimenter dabei, Bäume zu fällen, um für eine ver 
steckte Batterie das Schußfeld freizulegen. Andere stellten aus Zweigen Körbe her, die 
mit Erde gefüllt und dann zu Feldbefestigungen verwandt werden sollten. Wieder 
andere schnitten junge Baumstämme zu Pfählen für die Stacheldrahthindernisse oder 
richteten Bretter zur Bedeckung der Schützengräben zu. Von unserem Beobachtungs-
	        
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