Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Zwischen Argonnen und Vogesen 
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Samstag, 12. Dezember 1914, nach Mittag steigerte sich die Artilleriebeschießung der von 
den Deutschen besetzten Stellungen zu ungewöhnlicher Heftigkeit. Es war die Einleitung 
zu einem regelrechten Durchbruchsversuch, der mit starken Jnfanteriekräften, beidseitig 
der Straße Flirey—Essey—Thiaucourt, d. h. in der nämlichen Richtung angesetzt wurde, 
wo schon der verlustreiche Angriff in der Morgendämmerung vom 22. Oktober 1914 statt 
gefunden hatte. Ueberfallartig brach plötzlich die französische Angriffsinfanterie vor. Die 
vorzüglich eingeschossene deutsche Artillerie, die ihr Feuer schon zum voraus abschnitt 
weise auf die verschiedenen Streifen des Angriffsfeldes nach Breite und Tiefe verteilt 
hatte, empfing die zum Angriff vorgehenden Franzosen mit einem mörderischen Kreuzfeuer. 
Trotzdem hielt die französische Infanterie noch stand und gelangte insbesondere aus einem 
Flügel noch weiter vor. In der Zone des wirksamsten Jnfanteriefeuers brach dagegen 
der Angriff zusammen, zuerst am linkensFlügel, dann auch am rechten und in der Mitte. 
Die Voraussetzung des Gelingens des Durchbruchsversuchs, daß nämlich die deutsche In 
fanterie unter dem lang andauernden Artilleriefeuer erschüttert sei, bestätigte sich nicht. 
Die Deutschen erwarteten den Angriff kaltblütig und entschlossen. Ihrem ruhig gezielten 
Schützen-und Maschinengewehrfeuer, das von der Artillerie planmäßig unterstützt wurde, 
vermochte der Angriff der Franzosen nicht standzuhalten. Wie diese über Kehrt machten, 
um den Rückzug anzutreten, änderte die deutsche Artillerie, die mit den Schützengräben 
durch Fernsprechleitungen in beständiger Verbindung stand, ihr Ziel und überstreute das 
Rückzugsgelände mit einem Hagel von Granaten und Schrapnells, in den die Franzosen 
bei ihrer weiteren Rückzugsbewegung hätten hineinlaufen müssen. Dieses gleichzeitige 
Front-, Rücken- und Kreuzfeuer brach 'den Halt der Franzosen, deren Angriff kraftvoll 
angesetzt und deren Rückzug anfänglich in Ordnung angetreten worden war. Nirgends 
zeigte sich ein Ausweg. Ein Teil der Franzosen machte zum zweitenmal Kehrt und lies 
wieder gegen die deutschen Schützengräben vor, verzweifelte Sturmangriffe versuchend. 
Mit bewaffneter Hand drangen vereinzelte Gruppen in die Schützengräben ein, wo sie 
im Kampfe Mann gegen Mann unterlagen. Größere Kampfgruppen aber, denen ihre 
hoffnungslose Lage klar wurde, legten jetzt die Waffen nieder und hoben zum Zeichen 
der Ergebung die Hände hoch. Vier Offiziere und 440 Mann gerieten auf diese Weise, 
die man unter Würdigung aller Umstände nicht als unehrenhaft bezeichnen kann, in 
deutsche Gefangenschaft. Durch versprengte Gruppen, die später noch eingebracht wurden, 
vermehrte sich die Zahl der unverwundeten Gefangenen auf rund 600 Mann — eine im 
Stellungskampfe überraschend hohe Ziffer. Denn es ist zu bedenken, daß die Verfolgung 
ausschließlich durch Feuer geschah. Ueberdies wurden von den Sanitätsmannfchaften 
noch weitere 150 Franzosen verwundet vom Gefechtsfelde eingebracht, so daß sich die 
Gesamtzahl der verwundeten und unverwundeten Gefangenen auf ungefähr 750 beläuft. 
Dementsprechend sind die Verluste an Toten und an Verwundeten, die von den Franzosen 
selbst zurückgeschafft wurden. Sie werden schätzungsweise nach der Zahl der vor den 
einzelnen Bataillonsabschnitten Gefallenen auf 900 bis 1000 angegeben. Nach den Re 
gimentsnummern der Gefangenen und nach der Breite der Angriffssront zu schließen, 
haben die Franzosen eine Division zu dem Angriff bereitgestellt, wovon jedoch nur eine 
Brigade in erster Linie zur Verwendung gekommen ist. Schwerer als die Verluste wiegt 
der moralische Eindruck des taktischen Mißerfolgs auf der anderen Seite. Der in jeder 
Hinsicht gut vorbereitete und mit Kraft unternommene Angriff der Franzosen bezweckte, 
wie schon oben angedeutet, offenkundig die Durchbrechung der gegen Süden Front 
machenden deutschen Truppenaufstellung zwischen Maas und Mosel. Bereitgestellte Re 
serven der Deutschen brauchten indessen nicht einmal eingesetzt zu werden. 
Die Deutschen haben ihren Erfolg nebst dem geschickten Zusammenarbeiten der In 
fanterie und Artillerie ganz besonders der unerschütterlichen Disziplin, Standhaftigkeit,
	        
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