Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

168 Die Kämpfe an der Westfront bis Mitte Januar 1915 
Der Kampf um Verdun 
Nach dem raschen Fall von Lüttich, Namur, Maubeuge und vor allem von Ant 
werpen schien die Einnahme von Verdun allzulange auf sich warten zu lassen. In 
dem felsenfesten Vertrauen auf die Wirkung der deutschen und österreichisch-ungarischen 
Belagerungsgeschütze übersah man bisweilen, daß ihre Verwendung nur nach der Erfüllung 
gewisser Vorbedingungen möglich ist. Die Inangriffnahme einer Belagerung ist abhängig 
von der militärischen Lage aus dem ganzen Kriegsschauplatz. Dazu kommt noch die örtliche 
Vorbereitung, die gerade vor der Linie Verdun—Toul gewaltige Anstrengungen erfordert. 
Solange die Voraussetzungen nicht geschaffen sind, die den jeden Beton zerbrechenden Ge 
schützen gestatten, ihre Donnerstimme erschallen zu lassen, behalten die Festungen ihren Wert 
für die Landesverteidigung. Die „Kölnische Zeitung" schreibt: „Die ungeheuren Kosten, die 
Frankreich seit Jahrzehnten für die Befestigung seiner Ostgrenze durch die lange Linie 
von Festungen und Forts aufgewandt hat, tragen jetzt reiche Zinsen. Von Verdun bis 
Belfort ist die Kette noch nicht durchbrochen, abgesehen von der Einnahme des Forts 
Camp des Romains. Es waren eben auch nicht die Werke allein, die sorgfältig ausgebaut 
und ausgerüstet worden waren, um den Vormarsch feindlicher Heere aufzuhalten. Ihre 
ganze Umgebung wurde in folgerichtiger Entwicklung der Gedanken, die der große Kriegs 
baumeister Brialmont festgelegt hatte, zu einer Region fortifiee umgestaltet, die das 
gesamte Vorgelände und die Zwischenräume umfaßte, um den Aufmarsch einer Be 
lagerungsarmee nach Möglichkeit zu verzögern und auszuhalten. Unterstände, Munitions 
gelasse, betonierte Bettungen für schwere Geschütze, Stellungen für Artillerie und In 
fanterie, Brunnen, Schmalspurgeleise, unterirdische Telegraphen- und Telephonanlagen, 
genaueste Vorbereitung der Einwohnerschaft für die Nachrichtenübermittlung durch Brief 
tauben und Signale; all dies und noch mehr waren Mittel, die schon im Frieden bereit 
gestellt oder soweit vorbereitet waren, daß sie beim Erscheinen des Gegners sofort in 
Tätigkeit treten konnten. Auf sie und den Kern der Region, die eigentlichen Werke, 
gestützt, kann ein willensstarker und entschlossener Befehlshaber den Beginn des artille 
ristischen Angriffs längere Zeit hinausschieben, wenn die Gesamtlage die Kräfte des 
Gegners zum großen Teil an anderer Stelle fesselt. In dieser Lage befindet sich jetzt 
der französische Oberbefehlshaber der Linie Verdun und Toul. Nur unter schweren 
Kämpfen schieben sich unsere Truppen vorwärts, Schritt für Schritt müssen sie Boden 
auf die Festung zu gewinnen, aus deren Raum heraus der Feind immer wieder Vor 
stöße versucht, um die deutschen Einschließungslinien zu sprengen." 
Ueber das französische Signal- und Spionagesystem, von dem hier die Rede 
ist, berichtet ein deutscher Kriegsfreiwilliger im Berner „Bund" interessante Einzelheiten. 
„Alle Dörfer im Festungsbereich," schreibt er, „sind .organisiert" (villages organises). 
Zur .Organisation" rechnet der Franzose außer dem weitverzweigten Spionage- und 
Signaldienst, der durch pensionierte Offiziere oder verkappte Militärs ausgeübt wird, 
die Anlage starker Gartenmauern, Anlage von Gehölzen und kleinen Waldstrichen, Graben 
anlagen, Benutzung und Befestigung harmloser Scheunen mit ungewöhnlich dicken Mauern, 
die gegen Durchschlag noch mit Sandsäcken verstärkt sind, Besetzung derselben mit 
Maschinengewehren und leichten Geschützen, Anlage von Sümpfen und Weihern, die 
leicht überschwemmbar sind, und Drahthindernisse. Im Spionagedienst spielen unterirdische 
Kabelleitungen mit Fernsprechanschlüssen in Kellern und aus den Kirchtürmen eine große 
Rolle. In der Gegend von Toul wurde eine ganze Reihe solcher Telephone schon 
unschädlich gemacht. Sie wurden oft erst entdeckt, nachdem sich die Truppen schon tage 
lang in dem betreffenden Dorfe aufgehalten hatten. Der Geheimtelephonist wird durch 
einen Signalgeber unterstützt, den meist ein als Bauer verkleideter Offizier spielt. Von
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.