Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

164 Die Kämpfe an der Westfront bis Mitte Januar 1915 
in feine unterirdischen Gemächer zurück. Gegen 7 Uhr abends, oder wenn es eben 
dunkel ist, zünden wir deutsche Krieger uns ein Feuer an und wärmen uns am stillen 
Herd zur Winterszeit. Auf dieses Feuer stellen wir auch wohl einen Topf mit Schweine 
fleisch und Sauerkraut. Und gegen */z8 Uhr, wenn das Essen fertig ist, da saust und 
zischt eine französische Artilleriesalve nach der andern knapp über unsere Köpfe weg, um 
50 Meter dahinter berstend und brechend irgendwo einzuschlagen. Und gegen 8 Uhr, 
wenn die erste französische Nachtablösung aufgezogen ist, da setzt ein rasendes französisches 
Jnfanterieseuer ein, und die Artillerie sängt ebenfalls von neuem an. Gegen 10 Uhr, 
wenn wir eben beginnen, Kaffee zu trinken, und gegen 12 Uhr, wenn wir uns anschicken, 
ein wenig „zu Bett" zu gehen, beginnt dasselbe Spiel nochmals. Und zwar jedesmal 
so, daß die Lust weithin erdröhnt und der ganze Boden zittert. Das trillt und zischt, 
das pfeift und schwirrt und schlägt und rattert und donnert und kracht, daß selbst jeder 
Vergleich mit dem so berüchtigten guten alten „wilden Heer" jämmerlich versagt. 
Und am anderen Morgen macht der Feldwebel Meldung: „Verluste hatten wir von 
gestern auf heute keine, abgesehen von drei Mann, die in ärztliche Behandlung gegeben 
werden sollten, weil sie nämlich „Häsläus" haben." 
Ist das nicht ein merkwürdiger Krieg?" 
* * * 
Ein anderer Brief erzählt von einem Besuch des Kaisers an der Front im Argonnen- 
wald. Dort wurde er in einen Unterstand geführt, wo ihm ein Artillerieoffizier 
an einem richtigen Buffet ein Glas Wein anbot. Als er aus der komfortablen Erd 
höhle herauskroch, sah er sich, wie erzählt wird, zu seinem nicht geringen Erstaunen einer 
ganzen Kompagnie Franzosen gegenüber. Da soll ein alter Landsturmunterofsizier vor 
getreten sein und gesagt haben: „Majestät, das sind man bloß Gefangene, die ich her 
gebracht habe, damit sie Ihnen auch mal sehen können." 
* * * 
Anfang November berichteten die Blätter von dem Heldentode eines deutschen Fliegers, 
dessen Name in der Geschichte dieses Krieges nicht fehlen darf. Der Bericht 
erstatter des „Neuen Wiener Tagblatts" schreibt: „Binder — dies ist der Name des 
jungen Piloten — stieg mit einem Offizier als Beobachter zu einem wichtigen Rekog 
noszierungsflug auf. Die Taube schraubte sich rasch in die Höhe, und ebenso rasch war 
die gewünschte Erkundung gelungen. Eine feindliche Artilleriestellung, welche die deut 
schen Truppen stark belästigte, war festgestellt. Das Flugzeug wandte sich schon zur 
Heimfahrt, als es plötzlich einen französischen Aeroplan hinter sich hörte. Binder manöv 
rierte sehr geschickt, aber schon einige Minuten später flog die französische Maschine etwa 
600 Meter entfernt zur Rechten der deutschen Taube. Auf eine kürzere Entfernung 
wagen sich die Franzosen in den Lüften nicht heran. Es begann nun ein wütender 
Kampf. Der deutsche Offizier feuerte mit dem Karabiner gegen den französischen Doppel 
decker, während die Kugeln eines Maschinengewehres über die Taube dahinpfiffen. Plötz 
lich traf eine Kugel den deutschen Piloten. Sie durchdrang seinen Leib von rechts nach 
links. Die Taube hatte eben die deutsche Stellung erreicht, von der aus der Kampf in 
den Lüften bemerkt worden war. Haubitzen eröffneten ein rasendes Feuer gegen den 
Franzosen, den ein Volltreffer auch bald herunterholte. Wie ein Stein stürzte die 
Maschine ab. Der Flugzeugführer, von der Granate getroffen, lag unkenntlich zerrissen 
neben dem zertrümmerten Apparat; der Beobachter, ein französischer Generalstabsoffizier, 
war nur durch den Sturz getötet worden. Wie ein Schlummernder lag er, mit einer 
Rose im Knopfloch, in einer Ackerfurche. 
Die Kugel hatte Binder, den deutschen Piloten, tödlich verwundet. Er war aber nur
	        
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