Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Die Kämpfe i«t Zentrum der Schlachtsront 137 
Tatsache ist, daß die Franzosen auch heute noch ihre Artillerie unter dem Schutze der 
Kathedrale gegen unsere Truppen wirken lassen. Die französischen Kanonen sind in der 
Stadt in unmittelbarer Nähe der Kathedrale selbst aufgestellt. Und zwar hat man die 
Geschütze nicht nur auf der Place Belle Tour postiert, sondern sie auch auf dem Boule 
vard de la Paix aufgestellt. Da die Stadt nach Osten zu abfällt, hat man somit ein gutes 
Schußfeld auf die deutschen Stellungen. 
Immer noch besteht die Absicht bei den deutschen Truppen, die Stadt und mit ihr die 
Kathedrale nach Möglichkeit zu schonen. Zwar sah man sich vor längerer Zeit gezwun 
gen, einen Beobachtungsposten, der auf dem Turm der Kathedrale untergebracht war, 
herunterzuholen. Diese Maßnahme hat keineswegs die beabsichtigte Wirkung gehabt. 
Man kann von den deutschen Stellungen aus deutlich mit dem Scherenfernrohr erkennen, 
daß auch heute noch die Kathedrale in gleicher Weise von den französischen Truppen 
gebraucht wird. Man sieht auch deutlich die Stellung der französischen Geschütze. Am 
Tag, wenn das Wetter besonders klar ist, kann man in den oben genannten Straßen 
die Geschütze sehen. Man kann auch sehen, wenn aus ihnen geschossen wird, wobei der 
weiße Pulverdampf für Augenblicke den Standort einhüllt. Nachts aber sieht man ganz 
deutlich an den aufblitzenden Schüsien, daß die Stellung der Geschütze nicht verändert 
worden ist. Es ist das ein Frevel, wenn man bedenkt, daß der Ruin eines so wertvollen 
Bauwerks unter allen Umständen vermieden werden müßte... 
Es konnte ferner nicht verhütet werden, daß man auch die nördliche Vorstadt Ceres 
und den berühmten Park Pommery verschiedentlich beschießen mußte, um wirkungsvolle 
französische Stellungen dort zum Schweigen zu bringen. Aber die Kathedrale hat man 
noch immer nach Möglichkeit geschont. Und ich hörte selbst aus dem Munde des kom 
mandierenden Generals jenes Armeekorps um Reims, bei dem wir zu Gaste waren, daß 
auch in der weiteren Entwicklung des Kampfes die Schonung dieses Bauwerks mit 
größter Duldsamkeit durchgeführt werden soll. Es kommt noch hinzu, daß die bei der 
Kathedrale aufgestellten Geschütze bisher nicht allzuviel Schaden in unsere Reihen getragen 
haben. Allerdings ist schon manches Blut geflossen, so daß Grund genug wäre, mit dieser 
Kriegführung aufzuräumen. Sollte eines Tages das schöne Gebäude in Trümmer sin 
ken, sollte der prachtvolle Bau von den deutschen Granaten getroffen werden, dann 
wissen wir uns frei von Schuld." 
„tzuaranlo-nouviöms jour du bombardement!“ — „Neunundvierzigster Tag der 
Beschießung!" — das ist die neue Zeitrechnung der Bewohner von Reims. Jeden Mor 
gen, noch ehe es dämmert, kriechen, sie aus ihren durch Sandsäcke geschützten Kellern 
hervor und eilen, Männer, Frauen und Kinder, mit einigen Flaschen Wein, Brot und 
kaltem Fleisch für ein „AI krssoo-Mahl" unter dem Arm, auf die umliegenden Höhen 
der Stadt, von wo sie dem Artillerieduell der französischen Batterien mit den auf den 
eroberten Forts Brimont, Nogent l'Abbesse und Berru aufgestellten deutschen Geschützen 
zusehen. Am Abend, wenn das Artilleriefeuer nachläßt, kehren sie dann in die Stadt 
zurück, und die beiden noch erscheinenden Lokalblätter teilen ihnen mit, welchen Schaden 
die Deutschen am 49. Tage der Beschießung angerichtet haben. Ein Mitarbeiter des 
„Daily Graphic" erzählt, daß besonders die ältern Stadtteile schwer gelitten haben. 
Was die Geschosse der deutschen Artillerie nicht zerstörten, vernichten ihre „mit brennen 
dem Petroleum gefüllten Handgranaten". Von den 120 000 Bewohnern der Stadt sind 
höchstens 40000 zurückgeblieben. Obgleich sie sich tagsüber versteckt halten oder auf die 
Berge flüchten, sind doch bis Mitte November schon gegen 700 Opfer des Artillerie 
kampfes geworden, und über 1000 mußten, schwerer oder leichter verwundet, fort 
geschafft werden. Die meisten Verletzungen sind Folgen herabfallender Mauerstücke 
»der einstürzender Häuser. Am Abend zeigt sich erst recht, wie verlasien die
	        
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