Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

136 Die Kämpfe an der Westfront bis Mitte Januar 1915 
den letzten Tagen haben die Franzosen wiederholt, aber stets vergeblich gegen die in der 
Gegend von Reims stehenden Truppen vorgestoßen. Einen besonders heftigen Angriff rich 
teten sie am Abend des 22. Dezember gegen das sächsische Reserve-Infanterieregiment 133, 
das mit hervorragender Bravour einen der exponiertesten Punkte der deutschen Stellung 
festhält. Der französische Angriff wurde durch ein heftiges Artilleriefeuer eingeleitet. 
Es folgte ein mit großem Schneid durchgeführter Jnfanterieangriff der Franzosen, die 
bis in die Schützengräben vordrangen. Inzwischen hatte aber der Führer, Hauptmann 
Goetze, Teile des 2. und 3. Bataillons zum Gegenstöße bereitgestellt. Auf das Signal 
zum Angriff stürmten die Sachsen mit unwiderstehlichem Anlauf vorwärts. Ein wildes 
Handgemenge entspann sich, in dessen Verlauf 80 Franzosen fielen; der Rest der ein 
gedrungenen 170—180 Mann wurde zu Gefangenen gemacht. Der Verlust des Feindes 
ist sehr schwer, da noch 300 Franzosen vor Erreichen des Grabens fielen. Nach diesem 
mit glänzender Bravour erzielten Erfolge war die Stimmung der tapferen Sachsen eine 
derartig gehobene, daß alles begeistert „Deutschland, Deutschland über alles" anstimmte. 
Die Durchführung dieses Kampfes gibt einen deutlichen Beweis dafür, daß trotz des an 
dauernden Feuers und der Strapazen die Offensivkraft der Truppen nicht besser sein könnte." 
Wie es in dem Gebiet um Reims aussieht, schildert W. Scheuermann, 
der Kriegskorrespondent der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung". „Die Einwohner 
der Dörfer," schreibt er, „sind jetzt, soweit sie nicht bis jenseits der französischen Opera 
tionslinie geflohen waren, zurückgekehrt und vertragen sich friedlich mit den deutschen 
Truppen. Wieder ist es das eigene Heer, das sie zu fürchten haben. Denn bei dem 
trüben, undurchsichtigen Wetter, das das gegenseitige Artillerieduell erschwert, können 
die Franzosen den deutschen Stellungen wenig anhaben. Aber sie kennen natürlich jede 
Entfernung im eigenen Lande, besonders im eigenen Festungsgebiete sehr genau. Und 
so machen sie oft im Schutze des Nebels einen plötzlichen Vorstoß gegen irgend eines 
ihrer Dörfer, das sie von uns besetzt glauben, und decken es mit Granatfeuer zu. Dann 
flüchten die Bewohner, die Kinder mit dem Leibe deckend, entsetzt ins Freie. Sie müssen 
mit ansehen, wie die Geschosse des eigenen Heeres ihre Häuser zertrümmern und in 
Brand stecken, bis die Beschießung aufhört, da sich die Franzosen nach ihrer Gewohnheit 
nach kurzer Zeit zurückziehen, um unvermutet an anderer Stelle wieder vorzubrechen. 
Es ist erstaunlich, wie zäh der Mensch an seinem Heim hängt. In den verschonten 
Häusern, die mitten zwischen den zerschossenen Ruinen stehen, findet man bald nach der 
Beschießung die Bewohner wieder und bei ihnen viele von den Nachbarn, die durch das 
Bombardement obdachlos geworden sind." 
Heinrich Binder, der Berichterstatter des „Berliner Tageblatts", hat die deutschen 
Stellungen unmittelbar vor Reims besucht und gibt folgende Schilderung von der dor 
tigen Lage und der Beschießung der Stadt: „Unsere Truppen liegen in aller 
nächster Nähe der vielgenannten Stadt. Deutsche Artillerie steht bis auf wenige Kilo 
meter von der Kathedrale entfernt; deutsche Infanterie liegt den französischen Schützen 
linien bis auf 800 Meter gegenüber. Es sind hinreichend Kräfte vorhanden, um durch 
zubrechen. Aber der Zusammenhang mit anderen Operationen verbietet ein vorläufiges 
Ergreifen der deutschen Offensive. Dies ist auch der Grund, weswegen die deutschen 
Truppen schon so lange dort eingegraben und verschanzt liegen und die im Vaterland 
so sehnsüchtig erwarteten Siegesmeldungen entweder spärlich oder auch gar nicht ein 
laufen. Und doch wäre es unseren Truppen gewiß ein Leichtes, die in der Stadt und vor 
den Mauern von Reims befindlichen Stellungen zu nehmen. Diesen Eindruck gewann 
ich, als ich die Stellungen um Reims besichtigte und die Standorte unserer Truppen und 
der sehr starken Reserven dort sah. Welche Operationen es sind, die eine entscheidende 
Offensive noch nicht für ratsam erscheinen lassen, kann natürlich nicht gesagt werden.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.