Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

132 Die Kämpfe an der Westfront bis Mitte Januar 1915 
ferner ein starkes Aufgebot von Artillerie. Das Halbbataillon stand unter dem Befehl 
des Hauptmanns v. Alvensleben. Wir erhielten also am 29. Oktober plötzlich den Befehl, 
uns marschbereit zu halten und wurden nach Antritt der Dunkelheit vorsichtig Mann 
für Mann aus unseren Schützengräben am Fort de Conde herausgezogen, die sofort von 
einer andern Kompagnie wieder besetzt wurden. Um 6 Uhr abends stand das Halb 
bataillon im Fort de Conde angetreten vor dem Regimentskommandeur, der uns nach 
einer kurzen, markigen Ansprache entließ. Frohen Mutes, obwohl wir wußten, daß wir 
nicht alle so munter wieder zurückkehren würden, setzte sich das Halbbataillon daraus in 
Marsch. Nach dreistündigem Marschieren auf völlig durchweichten Wegen gelangten wir 
an unseren Bestimmungsort. Unsere schwere Artillerie war schon in der Nacht vorher 
in großem Halbkreise um die feindliche Stellung aufgefahren und hatte, als wir dort an 
langten, schon ihr mörderisches Konzert begonnen. Für die ganze Nacht war ein soge 
nanntes Wellenschießen angesagt. Während dieser Feuerwellen mußte die zum Angriff 
angesetzte Infanterie in den schon ausgehobenen Schützengräben volle Deckung nehmen, 
weil die Sprengstücke unserer neuen Minenwerfer 800 Meter weiter fliegen und so 
unsere eigene Infanterie hätten gefährden können. In den Feuerpausen arbeiteten wir 
uns dann weiter vor. Lautlos gingen alle unsere Truppenbewegungen vor sich, als unser 
Bataillon sich aber vor den Schützengräben der braven 48er durchschieben mußte, gab 
es doch freudige Begrüßungen und manche humorvolle Zurufe, da man sich gegenseitig 
freute, wieder einmal Brandenburger Jungens zu sehen. Die durch das Artilleriefeuer ge- 
ängstigten Franzosen schossen nervös nach allen Seiten, so daß bei unsern Vorbewegun 
gen ständig die feindlichen Geschosse über uns wegschwirrten und hier schon die ersten 
Verwundungen anrichteten. Die Erkundung hatte nur ergeben, daß der der Stadt Vailly 
vorgelagerte steile Berg von den Franzosen enorm befestigt worden war und etagen 
förmig angelegte Schützengräben mit vielen vorgebauten Drahthindernissen enthielt. 
Der allseitige deutsche Infanterie-Angriff war für 8 Uhr morgens angesetzt, unser Halb 
bataillon sollte in der Mitte stehen, rechts an die 48er, links an die 24er angelehnt. Unten 
im Tale, dem Berge vorgelagert und an 600 Meter von dem ersten feindlichen Schützen 
graben entfernt, liegt das Schloß Vauxelles, von dem aus Hauptmann v. Alvensleben 
vorzugehen beabsichtigte. Er führte deshalb mit allen Vorsichtsmaßregeln die beiden 
Kompagnien in das Schloß, wo sie lautlos und ohne Licht zu machen von uns unter 
gebracht werden. Das verlassene Schloß war bisher immer noch unbesetzt, weil weder 
Freund noch Feind sich so nahe an die gegenseitige Stellung herangewagt hatte. Vom 
Schloß aus wurde noch bei Nacht ein Zug Pioniere vorgeschickt, der die feindlichen Hin 
dernisse mit Drahtscheren zerschneiden sollte, aber infolge starken Feuers bald unverrich 
teter Sache wieder umkehren mußte. Im Schloß, in einem schönen Schlafzimmer, hatten 
wir Offiziere uns untergebracht, ein kurzes, kräftiges Abendbrot, ein paar Oelsardinen, 
Schlackwurst, Kommißbrot und einen Schluck Rotwein aus unsern mitgenommenen Vor 
räten, und dann warf man sich umgeschnallt und mit hohen Stiefeln, Revolver und 
Helm neben dem Kopfkissen, auf ein von unseren Burschen bereitetes Lager. Viel ge 
schlafen hat wohl keiner, denn unsere schwere Artillerie vollführte einen derartigen 
Höllenlärm, daß uns das Trommelfell beinahe geplatzt wäre. Außerdem zersprangen 
fast bei jedem Schuß Fensterscheiben im Schloß, durch den gewaltigen Luftdruck veran 
laßt. Morgens 7 Uhr, ohne etwas Warmes, wie Kaffee u. dgl. genossen zu haben, stan 
den die Kompagnien gefechtsbereit im Schloßhof. Im Park wurden die Tornister ab 
gelegt, Sturmgepäck umgetan und auch wir Offiziere machten uns durch Ablegen aller 
Abzeichen, Anlegen von Mannschaftsachselklappen usw. und mit einem aufgepflanzten 
Gewehr in der Hand von den Mannschaften nicht unterscheidbar. Nachdem die beiden 
Nachbarregimenter den Reigen eröffnet hatten, ging unser Halbbataillon gedeckt gegen
	        
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