Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Der flandrische Kriegsschauplatz 
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nur zurückgelassene Tornister, Cakes, Zeitungen und ausgetrunkene Weinflaschen gefun 
den. Die Herren selbst sind gone off, bevor das match ausgespielt war. Wir nehmen 
ihnen das nicht übel, denn schließlich erweisen sie durch ihr Davonlaufen unseren Waffen 
auch ihre Hochachtung. Die schöne romanische Kirche von Dixmuiden ist ganz zerstört. 
Wenn man aus der Chaussee Eessen-Zarren bei Hoogmolen steht, sieht man im Quadrat 
die Kirchtürme von Eessen, Woumen, Dixmuiden und Beerst. Ueberall die gleiche herr 
lich-schwere Bauart. Diese vier Kirchen sind durch den Gleichmut des Feindes unter 
gegangen, denn hier hatten die Franzosen ihre Artilleriebeobachtungspunkte, und die 
lieben Engländer hatten hier ihre Maschinengewehre eingebaut. Dixmuiden ist bis jetzt 
neben Termonde die am meisten verwüstete Stadt, aber sie ist durch den Aufenthalt der 
Alliierten fast ebensosehr mitgenommen worden wie durch die deutschen Granaten." 
Heinrich Binder, der Kriegsberichterstatter des „Berliner Tageblatts", schildert 
sehr anschaulich einen Besuch in dem zerschossenen Dixmuiden. „Wir sind in den Trüm 
mern der Stadt Dixmuiden angelangt. Nur einige Straßen, und vor allem der Marktplatz, 
liegen frei in der Feuerzone des Feindes. In dieser unheimlichen Stadt wohnt das 
Grauen. So zerschossen wie Dixmuiden liegt keine andere Stadt auf den Schlachtfeldern 
dieses gräßlichen Krieges. In den aufgewühlten Straßen metertiefer Schlamm. Viel 
leicht ist noch ein Haus im Ort, das vom Granatfeuer nicht getroffen wurde. Ich weiß 
es nicht. Denn vorsichtig von Stein zu Stein gehend, vorsichtig nach den freien Straßen 
ecken spähend, hinter denen hervor die Kugeln quellen, bleibt wenig Zeit zum Schauen. 
Die Trümmer haben sich zu kleinen, glitschigen Bergen getürmt, die überschritten werden 
müssen. Da liegt schon der Marktplatz, über den unausgesetzt die Kugeln pfeifen. Im 
Sprung hinüber zum schützenden Rathaus und zu der gewaltigen Pfarrkirche St. Nico 
las, die, ein einziger, gigantischer Trümmerhaufen, nur noch an zwei hochstrebenden 
Mauern und einem Pfeiler als Kirche zu erkennen ist. Und dennoch regt es sich lautlos 
und unheimlich in den zerschossenen Häusern. Dort haben sich unsere Soldaten in den 
Kellern Quartier bereitet. Aber kein aufsteigender Rauch darf dem Feind verraten, in 
welcher Häusergruppe der Gegner wohnt. Der mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse 
geschmückte Kommandeur begrüßt uns. Er ist froh, neue Gesichter in dieser todesstillen 
Einöde zu sehen. Während er zu uns spricht und uns die Lage erklärt, schlagen links und 
rechts, ununterbrochen, die Kugeln in Mauern und Giebel. Wir zählten innerhalb einer 
Minute 45 einzelne Schüsse auf das Haus, neben dem wir standen. So eifrig, Tag 
und Nacht, schleudern die Gegner nutzlos ihre Munition in die tote Stadt. Als einzige 
Lebewesen fanden unsere Soldaten einen Hund und drei Katzen. Das war alles. Drei, 
viermal ist um Dixmuiden gekämpft worden. Aber jetzt ist der riesige Trümmerhaufen 
fest in unserem Besitz, und unsere Stellungen sind bis an den Iserkanal vorgeschoben, 
der im Westen der Stadt, hart an den letzten Häusern, vorbeiführt." 
Am Iserkanal, der im wesentlichen die Grenze der beiderseitigen Stellungen bildete, 
ergaben die zehn bis zwanzig Meter hohen Flut dämme eine natürliche Vertei 
digungslinie. Nachdem die Deutschen auch den wichtigen Brückenkopf Dixmuiden 
erstürmt hatten, hielten sie in breiter Linie den Ostdamm besetzt, der nur bei Ipern noch 
von den Verbündeten gehalten wurde. Sie verstärkten ihn durch Schützengräben, teil 
weise sogar Betondeckungen, und warfen nach sorgfältiger Erkundung nachts an fünf 
Stellen auf Tonnenbrücken und Stegen Infanterie ans andere Ufer, die blitzschnell den 
Westdamm besetzte, sich aber angesichts des moorigen durchschnittenen Geländes und der 
Feuerwirkung besonders der gelandeten englischen Schiffsgeschütze wieder eingraben und 
die Vorarbeit der eigenen Artillerie abwarten mußte. Die Erkundung war nur durch 
Flieger möglich, die durch ihre Photographien mathematisch sichere Berechnungen der feind 
lichen Artilleriestellungen und deren Vernichtung durch schwerstes Steilfeuer ermöglichten.
	        
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