Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Der flandrische Kriegsschauplatz 
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gekommen, die verlorene Heimat wiederzugewinnen. Alles war in gehobener Stimmung. 
In der Nacht ging es los. Die Vorhut, die langsam und vorsichtig die Brücken über 
schritt, stieß nirgends auf feindliche Posten, kein Schuß wurde abgefeuert. Die Straße 
war offenbar unverteidigt. Die Patrouillen erreichten die ersten Häuser von Lom- 
bardzyde, vielmehr die ersten Ruinen des Ortes, ohne eine Spur vom Feinde zu be 
merken. Sie berichteten demzufolge, daß alles verlassen sei. Darauf setzte sich die gesamte 
Division in Bewegung und befand sich nach einer halben Stunde im Städtchen, um ihre 
Positionen einzunehmen.... Da brach mit einem Male die Hölle los. Hinter jeder 
Mauer, hinter jeder Ecke, aus jedem Fenster, aus jedem Winkel wurden die belgischen 
Massen von einem mörderischen Gewehrfeuer überrascht, das von dem regelmäßigen 
Knattern der Maschinengewehre übertönt wurde. Eine furchtbare Panik entstand in der 
Dunkelheit, die nur vom Blitzen der Gewehrläufe erhellt war. Die Vorhut, die in diesen 
furchtbaren Hinterhalt, in diesen Regen von Blei hineingeraten war, flutete in voller 
Unordnung zurück, das nachrückende Gros der Truppen mit sich reißend. In regelloser 
Flucht zog sich die Division auf Nieuport zurück. 850 Soldaten und 27 Offiziere der Bel 
gier waren gefallen." 
Barzini ist der Ansicht, die Deutschen hätten ihren Vorteil nicht rasch genug aus 
genützt, denn ein sofortiger Angriff hätte ihnen die Brücken von Nieuport in die Hände 
geliefert. Dabei überschätzt er die Stärke der Besatzung von Lombardzyde. Das geht 
klar aus einem Bericht über ein weiteres Treffen in der Gegend von Lombardzyde her 
vor, das am 11. November stattfand und bei dem auf gegnerischer Seite die ganze fran 
zösische Division, die man den Belgiern zur Unterstützung beigegeben hatte, im Kampf 
stand. Heinrich Binder, der Kriegsberichterstatter des „Berliner Tageblatts", schreibt 
darüber: „Elf Bataillone Matrosen, Marineartillerie und Marineinfanterie standen 
einer ganzen französischen Division gegenüber. Obgleich die Maschinengewehre und Ge 
wehre unserer Truppen durch den Flugsand der Dünen zum Teil unbrauchbar geworden 
waren, setzte der deutsche Angriff ein, um dem gegnerischen Angriff zuvorzukommen. 
Heldenmütig gingen unsere sechstausend Mann gegen die feindlichen fünfzehntausend 
vor, wobei ein Bataillon Marineinfanterie seine Fahne entrollte und sie im Sturm vor 
antrug. Der Angriff begann um 1 Uhr 15 Minuten. Es war ein blutiges Gefecht, bei 
dem die deutschen Truppen mit dem Bajonett vorgingen und zweihundert Tote verloren, 
worunter sich vierzehn Offiziere befanden. Dieser hohe Prozentsatz zeigt den bewun 
dernswerten Geist der deutschen Offiziere. Die französische Division wurde unter großen 
Verlusten zurückgeschlagen, wobei noch achthundert Mann, darunter viele Offiziere, ge 
fangen genommen wurden. Es stellte sich dann heraus, daß der französische General 
den Angriff seiner Truppen auf 4 Uhr festgesetzt hatte, so daß die deuffchen Marine 
truppen um drei Stunden zuvorgekommen waren." 
Der Kampf im Ueberschwemmungsgebiet und die Erstürmung von Dixmuiden 
Heldenmütig nahmen die deutschen Truppen den Kampf mit dem neuen Feind, der 
Ueberschwemmung, auf, dem sie vorübergehend hatten Weichen müssen. Luigi 
Barzini — er sei hier nochmals angeführt, weil sein Urteil als das eines dreiverband 
freundlichen Korrespondenten über jeden Verdacht der Schönfärberei erhaben ist, — schil 
dert diesen Kampf in lebhaften Farben. „Mit todesverachtender Kühnheit," schreibt er, 
„bahnten sich die deutschen Truppen den Weg durch die strudelnden Wassermassen, mit 
Hartnäckigkeit, mit heroischer Tapferkeit und unvergleichlicher Beharrlichkeit suchten sie 
Dixmuiden zu erreichen, während sie zugleich an anderen Stellen, z. B. gegen Ipern 
vordrängten. Nach bestimmten, schnell gefaßten Plänen nahmen sie den Kampf gegen 
das Wasser, wie gegen einen Feind auf, der sich ihnen unvermutet und unvermittelt in
	        
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