Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Das Leben im Schützengraben 
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Das Leben im Schützengraben 
Neben den neuen Kampfmitteln, die der europäische Krieg zum ersten Male in den Dienst 
der Kriegführung gestellt hat — den auf Meilenentfernung mit einem einzigen Geschoß 
die feindlichen Festen vernichtenden schweren Geschützen, der jedes Geheimnis einer neuen 
Stellung sofort erkundenden Fliegeraufklärung und der ausgedehnten Verwendung des 
Kraftwagens im Nachrichten- und Etappendienste, neben allen diesen Errungenschaften 
der Wissenschaft und Technik, zu denen als jüngste noch die drahtlose Telegraphie und 
die lenkbaren Luftschiffe kommen —, hat eines der ältesten Kriegsmittel eine ganz neue 
Bedeutung gewonnen: der Schützengraben. Zuerst an der Aisne (vgl. II, S. 114), 
dann allmählich auf der ganzen übrigen Front (vgl. II, S. 132, 142), zuletzt in Flandern, 
ist der Kampf in das Stadium des „Maulwurfskriegs" übergegangen. 
Wie die Schützengräben angelegt sind, ist an verschiedenen Stellen geschildert 
worden (vgl. II, S. 114 ff., 133, 142). Ein Berichterstatter des „Nieuwe Rotterdamsche 
Courant", der die deutschen Schützengräben in Flandern gesehen hat, schreibt über deren 
Einrichtung: „Längs der ganzen Front haben die Deutschen wenigstens zwei Reihen unter 
irdischer Befestigungen; die erste ist für die Truppen bestimmt, die wirklich im Feuer sind, die 
zweite ist der Zufluchtsort der Ablösungstruppen. Jeden Abend, wenn es dunkel ist, 
werden die Truppen in den vorderen Laufgräben abgelöst. Sie gehen nun nach der zweiten 
Reihe zurück, wo ein gewisser Komfort herrscht. Die Erdwände sind hier meistens 
mit Matten und Decken bekleidet, die Gräben sind ganz überdeckt und nach der Seite des 
Feindes hin geschlossen. Die Soldaten sind dadurch gegen Infanterie- und Maschinengewehr 
feuer geschützt, Regen und Schnee können nicht eindringen. Diese Laufgräben sind so gut 
verborgen, daß die feindliche Artillerie sie nur selten beschießt. Nur dann und wann fällt 
ein verirrtes Projektil hinein. Die Soldaten fühlen sich dort wohl, sie plaudern und 
singen. Einige besitzen einen Petroleumkochapparat und bereiten oft ein Extramahl. 
Manchmal spielen sie Karten. Ganz anders ist es in den Laufgräben der ersten Linie, 
die je nach den Umständen und nach der Beschaffenheit des Bodens 800 bis 1000 Meter 
weiter vorn liegen. Sie sind natürlich nach der Seite des Feindes nicht geschlossen, und 
besonders die Deutschen, die in Flandern die Front nach Süden und Südwesten haben, 
leiden viel durch Regen und Schnee. Die Soldaten müssen Tag und Nacht auf der 
Hut sein, denn jeden Augenblick kann man eine Ueberraschung erwarten. In den vorderen 
Laufgräben werden die Truppen alle 24 Stunden abgelöst. Das ist die Regel; aber oft 
macht es die Entwicklung des Kampfes notwendig, daß sie länger dort bleiben. Des 
wegen nehmen die Truppen immer für 24 Stunden Nahrung mit. Bleiben sie länger, 
so versucht man, in der Nacht weitere Nahrungsniittel nachzuführen. Es ist auch stets 
ein Vorrat Reserveproviant in den Laufgräben vorhanden. Nachts werden die Ver 
wundeten und Toten aus den ersten Laufgräben abtransportiert." 
W. Scheuermann, der Kriegsberichterstatter der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" 
schreibt über das Leben im Schützengraben: „Aus der offenen Feldschlacht der 
ungeheuren Fronten, mit der das Völkerringen im Westen einsetzte und bei der die 
Zusammenstöße zu zahlreich und für das Gesamtergebnis dennoch so sehr Episode waren, 
daß die Geschichtsschreibung den meisten Gefechten erst später ihren Namen wird geben 
können, hat sich in wenigen Kriegswochen die endlose Linie der Schützengräben heraus 
gebildet, die in fast ununterbrochenem Zuge von der Nordsee bis zum Fuße der 
Alpen reicht. Zwischen zwei Schützengräben, in deren jedem Millionenheere eingegraben 
liegen, wird die Entscheidung um das Schicksal Europas ausgetragen. Seit mehreren 
Wochen geht, wenn man sich die Ereignisse in bildlicher Vereinfachung vorstellt, das
	        
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