Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Episoden vom französischen Kriegsschauplatz 145 
Die ganze Situation war für mich keine sehr angenehme, und unter meiner äußeren 
friedlichen, sorglosen Haltung steckte eine furchtbare Erregung, da mir immer neue Land 
wehrleute ihren Gestellungsbefehl vorzeigten und mir klar machen wollten, daß die 
Brückensperrung für sie als Soldaten unsinnig sei. In dieser Situation mußte ich fast 
sechs Stunden bleiben. Als dann der Anmarsch unserer Division in dem Ort bekannt 
wurde, rieten mir die Landwehrleute, zu verschwinden. „Je n’ai pas peur,“ war meine 
Antwort. Als dann unsere Kavaüeriespitze eintraf, sagte ich meinem Haufen Landwehr- 
leute : „blous sommes des Allemands aussi,“ mit einem ironischen Lächeln und konnte 
-er Division die Brücke für den Uebergang übergeben." 
* * * 
„Am 4. Oktober," heißt es in dem Feldpostbrief eines Ulanen, „ritten wir auf einer 
Landstraße in Frankreich in aller Ruhe dahin, ein Ulanen- und ein Husarenregiment. Auf 
einmal kommt ein Meldereiter dahergejagt und bringt die Nachricht, 2000 Meter von 
uns seien zwei feindliche Kavalleriebrigaden, also doppelt so viel als wir, gesichtet worden. 
Wir ritten noch 500 Meter Schritt, dann stellten wir uns zugweise auf, und nun gings 
im Galopp, Lanzen gefällt und Säbel mit Faustriemen am Arm, vorwärts. Du glaubst 
nicht, wie hoch unsere Herzen schlugen. Jeder von uns wußte, was es heißt, gegen 
zweifache Uebermacht kämpfen. Den Kameraden schnell noch einmal die Hand gedrückt, 
ein letztes stilles Gebet, dem treuen Pferde noch einmal den Hals geklopft, und dann 
Hurra! drauf los. Die Trompeten bliesen zum verstärkten Galopp. Bald waren wir 
in einer Talmulde, dann ging's über einen Hügel, und auf 22 Meter erblickten wir den 
Feind. Auch er kam im Galopp auf uns zu. Wir hörten schon die Pferde schnaufen. 
Auf hundert Meter ruft unser Rittmeister: Fest sitzen! 
Auf dreißig Meter sehe ich, wie unser Rittmeister den Revolver zieht, ein Krach — 
und der Führer der französischen Reiterei sinkt getroffen vom Pferde. Ein furchtbarer 
Zusammenprall erfolgte, Lanze gegen Lanze, Degen gegen Degen, Roß gegen Roß, 
Mann gegen Mann. Dazwischen krachen an tausend Revolverschüsse. Ich sehe plötzlich, 
wie mein Wachtmeister von acht Feinden umringt ist. Im Galopp stürme ich mit zwei 
Kameraden zu ihm, wir hauen ihn heraus, und in wenigen Sekunden liegen acht Feinde, 
junge Menschen, auf dem blutgetränkten Rasen. Unser Wachtmeister ist frei und weiter 
stürmten wir vorwärts. Die Lanzen haben die meisten von uns schon verloren, zumeist 
sind sie im Gegner stecken geblieben. Mit dem Degen in der Faust geht es vorwärts, 
unheimliche Wut packt uns alle, Rache für die gefallenen Kameraden wollen wir nehmen. 
Schulter an Schulter geht's weiter über Menschen- und Pferdeleichen. Wir wissen nicht 
mehr, was wir tun, eine solche Wut hat uns gepackt. 
Halt, was ist das? Die Trompete bläst zum Sanimeln? Zurück geht's im Fluge, 
der Feind noch ohne rechte Besinnung, jagt 50 Meter hinter uns her und stößt Hurra 
rufe aus, denn er glaubt, er hätte uns in die Flucht geschlagen. Er hat keine Ahnung, 
was Sekunden später geschieht. Rechts neben uns ist eine Waldecke, dort halten in 
Deckung — was wir selbst nicht gewußt haben — acht Maschinengewehre. Ihr un 
heimliches Knattern ertönt, und Mann für Mann mähen sie nieder. Wir machen Halt. 
Karabiner heraus, und auch unsere Kugeln sausen zwischen die Feinde. Jetzt, wo sie 
merken, daß ihrer immer weniger werden, reißen sie nach links aus. Keine 200 Meter 
von uns liegen zwei Kompagnien Infanterie. Die nehmen sie in Empfang. Langsam, 
aber sicher schießen die deutschen Büchsen. Wir sehen, wie sich Mann und Roß im 
Blute wälzen. Für den Feind ist kein Durchkommen. Er will zurück und den Weg 
über den Marnekanal nehmen, woher er gekommen. Doch der Weg ist von vier deutschen 
Maschinengewehren besetzt, und die hören nicht auf, bis der letzte Mann vom Pferde 
sinkt, und die sich uns zuwenden, fallen unter den Schüssen unserer Karabiner. Das 
Bölkerkrieg. II. 10
	        
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