Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

44 Das deutsche Volk während des ersten Kriegshalbjahres 
und Offizieren offenbarte, daß die Aktionsfreiheit und Selbständigkeit des einzelnen Sol 
daten vor dem Feind gerade von diesem selbst und von neutralen Militärsachverständigew 
als Kennzeichen der deutschen Armee bewundert wurde." 
„Sie hat es erlebt, daß die Söhne der Fürsten und die Söhne des Volkes, die auf 
dem Schlachtfelde nebeneinander fielen, mit ihrem Tode die Wahrheit des Wortes vom 
großen deutschen Volkskrieg besiegelten. Daß der Prinz von Meiningen, der vor Lüttich 
fiel, als letzten Wunsch aus einen Zettel schrieb, daß er nicht in der Erbgruft, sondern 
unter den Kriegskameraden begraben sein wolle, habe ich als volkstümlicher empfunden 
denn den zum Glück nicht gelungenen Versuch, Franks sterbliche Hülle aus seinem schönen 
Soldatengrab auf den Mannheimer Friedhof zu holen." 
„Sie hat es erlebt, daß genau so, wie sie selbst von ihren politischen Gegnern unter 
schätzt worden war, sie selber die ganze bürgerliche Gesellschaft in ihrer inneren Festigung 
falsch beurteilt hatte. Man hatte sich nicht gekannt, und das Erröten darüber 
schien auf beiden Seiten gleichgroß zu sein." 
Und ferner: „Im gemeinsamen Abrücken der sozialistischen Arbeiterparteien zu den 
Regierungen ihrer jeweiligen Länder hat sich ein Naturgesetz offenbart, das die dünnen 
Verbindungsfäden internationaler Ideologie mit einem einzigen wuchtigen Hieb glatt 
durchschlug. Im Fortschritt der Menschheit auf dem Erdenball hat sich als die Einheits 
zelle, als entscheidender Organismus nicht die Klasse, sondern das Volk erwiesen." 
Gegenüber dem bisherigen „Verrennen in Systeme" und dem „öden Intellektualismus" 
fordert Fendrich für die Zukunft mit einem Wort von Gottfried Keller „die Unbeschol 
tenheit des Auges", die pupillarische Sicherheit im Schauen. Die Stände sollen sich 
besser kennen lernen, Deutschland soll in Wahrheit „das Land der Seelenliebe" werden. 
Es ist klar, daß diese patriotische Haltung der deutschen Sozialdemokratie auch bei ihren 
bisherigen Gegnern Anerkennung finden mußte und sie veranlaßte, ihr Verhalten gegen die 
Sozialdemokratie zu ändern. Schon am 29. August hat der Reichsverband gegen die 
Sozialdemokratie seine Tätigkeit eingestellt. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" 
schreibt dazu: „Dieser Entschluß ist angesichts der vom ganzen deutschen Volk ohne jeden 
Unterschied der Partei bewiesenen Opferfreudigkeit mit Befriedigung zu begrüßen. Er 
bekundet die aufrichtige Erkenntnis der Lage, daß es keine Parteien, sondern nur ein 
von dem einmütigen Willen, das Vaterland bis zum letzten Atemzug zu verteidigen, be 
seeltes Volk gibt. Zugleich ist er für das der Belehrung etwa noch bedürftige Ausland 
ein neuer Beweis, wie aussichtslos die Rechnung auf parteipolitische Spaltungen in 
unseren Reihen wären." 
In der oben erwähnten Schrift erzählt Fendrich: „Bei uns in Baden erschien der 
Minister des Innern auf der Redaktion des Parteiblattes, um in aller Form zu Franks 
Tod zu kondolieren. Die Gewerkschaften arbeiten bei den Armeelieferungen mit der 
Regierung zusammen. Die Behörden haben den alten Wahn abgelegt, daß es sich mit 
Sozialdemokraten nur ruppig verkehren ließe". Aehnlich in Norddeutschland: In Berlin 
fand Mitte November eine Besichtigung von Einrichtungen der sozialdemokratischen Ge 
werkschaften durch die Minister statt, was als „ein glänzendes Zeugnis für die poli 
tische Einigkeit und Geschlossenheit des deutschen Volkes" bezeichnet wurde. Und auch der 
schärfste parlamentarische Gegner der Sozialdemokratie, v. Heydebrand, hat in Magde 
burg bei einer Feier zur Erinnerung an die Gründung des deutschen Reichs offen bekannt: 
„Die wirtschaftlichen, sozialen und beruflichen Gegensätze werden bleiben, aber ändern 
kann und muß sich die Art, in der man einander gegenübertritt. Manches, was man 
nicht für möglich gehalten hätte, ist nun als Wahrheit erkannt. Bei Kritik oder Tadel 
wird man niemals vergessen können, daß der Gegner einst das 
deutsche Vaterland mit verteidigt hat."
	        
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