Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

16 Das deutsche Reich während des ersten Kriegshalbjahres 
strafen und alle sonstigen noch nicht vollstreckten Strafen, die gemäß § 15 des Disziplinar 
gesetzes gegen unmittelbare und mittelbare Staatsbeamte seines Ressorts wegen einer 
vor dem 1. August begangenen Verfehlung verhängt sind, niedergeschlagen werden. Alle 
diese der Größe und dem Ernst der Zeit Rechnung tragenden Maßnahmen lassen natürlich 
nicht die Deutung zu, daß in den betreffenden Einzelfällen der von den Behörden bisher 
vertretene Rechtsstandpunkt nunmehr aufgegeben ist. 
10. Oktober. 
Die deutsche Regierung hat den neutralen Mächten eine Denkschrift über die 
Stellung Englands und Frankreichs zu der Londoner Seekriegsrechtserklärung 
überreicht, in der sie u. a. erklärt: 
„Nach einer Order in Council vom 20. August 1914 will die britische Regierung 
während des gegenwärtigen Kriegs die Londoner Seekriegsrechterklärung vom 26. Fe 
bruar 1909 mit einigen Zusätzen und Abänderungen beobachten. Diese Zusätze und Ab 
änderungen sind aber derart, daß sie die Londoner Erklärung in wesentlichen Punkten 
aufheben und dadurch gleichzeitig in das geltende Völkerrecht eingreifen. Weitere sehr 
erhebliche Abweichungen von der Londoner Erklärung sind in einer britischen Proklama 
tion vom 21. September 1914 enthalten" .... 
„Nach einem im Journal offieiel vom 26. August 1914 veröffentlichten Dekret des 
Präsidenten der französischen Republik hat sich Frankreich auf denselben Stand 
punkt gestellt wie Großbritannien in seiner Order in Council. Trotzdem haben die französi 
schen Seestreitkräfte in gleicher Weise wie die britischen, wehrpflichtige Deutsche von neutralen 
Schiffen, insbesondere von niederländischen und spanischen, weggenommen. Die Verord 
nungen und darüber hinausgehend die Seestreitkräfte Großbritanniens und Frankreichs 
setzen sich hiernach über die in der Londoner Seekriegsrechterklärung niedergelegten 
Regeln in willkürlichster Weise hinweg. Sie verfolgen ausgesprochenermaßen den Zweck, 
durch Lahmlegung des neutralen Handels nicht nur die Kriegführung, sondern auch die 
Volkswirtschaft ihrer Gegner zu treffen, und greifen dabei in unzulässiger Weise sowohl 
in den legitimen Handel der Neutralen mit dem Gegner, als auch in den Handel der 
Neutralen untereinander ein. Die Londoner Erklärung ist zwar bisher nicht ratifiziert 
worden; wie indes die Bevollmächtigten der Signatarmächte mit Einschluß der britischen 
und französischen in der einleitenden Bestimmung ausdrücklich festgestellt haben, ent 
sprechen die Regeln der Londoner Erklärung im wesentlichen den allgemein anerkannten 
Grundsätzen des internationalen Rechts. Die von Großbritannien und Frankreich be 
liebten Verletzungen der Londoner Erklärung stellen sich daher zugleich als Verletzungen 
des Völkerrechts dar, die um so schwerer ins Gewicht fallen, als Großbritannien in 
Kriegen, in denen es neutral war, wie beispielsweise im russisch-japanischen Krieg, gegen 
solche Rechtsverletzungen aus das nachdrücklichste Einspruch erhoben hat." 
„Die Kaiserlich deutsche Regierung hat bisher die Bestimmungen der Londoner Erklä 
rung streng beobachtet, auch deren Inhalt in der deutschen Prisenordnung vom 30. Sep 
tember 1909 (Reichsgesetzbl. S. 275) sinngetreu wiedergegeben; an dieser Haltung hat 
sie sich selbst durch die flagranten Rechtsverletzungen ihrer Gegner nicht irre machen 
lassen. Sie muß sich indes die Frage vorlegen, ob sie an diesem Standpunkt noch länger 
festhalten kann, wenn die feindlichen Mächte das von ihnen eingeschlagene Verfahren 
fortsetzen und die neutralen Mächte sich solche Neutralitätsverletzungen zu Ungunsten 
deutscher Interessen gefallen lassen. Für die deutsche Regierung würde es daher von 
Wert sein, zu erfahren, welche Stellung die neutralen Mächte zu dem völkerrechts 
widrigen Verhalten Großbritanniens und Frankreichs einzunehmen gedenken und ob sie 
insbesondere gegen die an Bord ihrer Schiffe vorgenommenen Gewaltakten an deutschen 
Personen und deutschem Gut einschreiten wollen."
	        
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