Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

140 Die Entwicklung der Schlachtlinie im Westen bis zum Kanal 
den Wald wie Blitze, die in den Baumgipfeln tanzen. Ter Feind beschießt das Gehölz 
mit Granaten, um die Infanterie herauszutreiben. Wir schauen wie festgebannt. Ta. 
auf einmal ein Donnerschlag, der die Erde erbeben macht. 200 Meter von uns steigt 
eine große Rauchwolke auf, die Deutschen beschießen jetzt die Batterie in der Nähe unseres 
Standorts. Nun ist es Zeit zum Gehen. Langsam senkt sich die Nacht hernieder, und der 
Silbermond gießt sein bleiches Licht über das aufgewühlte Feld." Am Abend des 
3. Oktober entsteht eine ungeheure Aufregung in Arras. Die Stadt wird geräumt, alle 
Männer im Alter von 18 bis 48 Jahren müssen sie verlassen. Frauen und Kinder 
raffen das Notdürftigste zusammen und eilen fort. Am 6. Oktober aber, als die Franzosen 
Verstärkungen erhalten hatten, drangen sie wieder in die Stadt ein und besetzten sie auss 
neue nach fürchterlichen Straßenkämpfen. 
Die Einnahme von Lille und die Beziehung fester Stellungen 
Am 2. Oktober hatten die Verbündeten auch Douai geräumt, nach heftigem Wider-- 
stand durch die französischen Feldtruppen, die durch britische Kavallerie und gepanzerte 
Motorwagen unterstützt worden waren. Sie konnten dem Angriff der Deutschen, bte aus 
dem Scheldetal immer neue Truppen heranbrachten, auf die Dauer nicht widerstehen. Die 
Deutschen versuchten nun von Tourcoing und Douai nach Lille vorzurücken. Ein starker 
deutscher Heerestei! befand sich bereits in Vitry en Artois, und die Franzosen mußten sich des 
halb auf Lens zurückziehen. Am 3. Oktober ließ der Bürgermeister in Lille eine Pro 
klamation anschlagen, in der er die Einwohner ermahnte, ruhig zu bleiben, wenn die 
Deutschen die Stadt besetzen würden. 
Der erste deutsche Angriff auf Lille, am 4. Oktober, verlief erfolglos. Einige 
Truppen sind allerdings schon damals in die Stadt eingedrungen. Ein deutscher Mitkämpfer 
erzählt davon in einem Feldpostbrief: „Wir sind nun glücklich aus Lille heraus und befinden, 
uns jetzt in unserer befestigten Stellung, in der uns niemand etwas anhaben kann. Die 
letzten Tage waren fürchterlich und es ist geradezu ein Wunder, daß wir aus der Stadt^ 
die 250000 Einwohner hat, herausgekommen sind, wo selbst die Frauen und Kinder aus 
Revolvern und Jagdflinten auf uns schossen. Wir zogen friedlich ein in dem frohen Be 
wußtsein, in der Großstadt unsere Bedürfnisse ergänzen zu können. In der lang sich, 
hinziehenden Vorstadt sahen wir die Läden geschloffen und die Straßen leer, aber wir 
ahnten nichts Böses, da die Forts nicht besetzt waren und am Vormittag der Bürger 
meister die Erklärung abgegeben hatte, die Stadt sei frei von Truppen. Da, plötzliche 
als wir die Bibliothek passiert hatten, begann ein fürchterliches Gewehrknattern aus den 
Fenstern und aus einer Nebenstraße, in der französische Infanteristen von den Straßen 
ecken auf uns schossen. Unsere Kompagnie marschierte dicht hinter der Spitze, noch in- 
der Avantgarde. Unmittelbar vor uns marschierte unsere Artillerie. Du kannst Dir 
das Bild nicht vorstellen, das sich jetzt entwickelte. Da unsere Leute den Feind nicht 
sehen konnten, schossen sie blindlings in die Fenster, und da sie zu Hunderten auf einem 
Haufen standen, hat mancher Schuß einen Kameraden getroffen. Ich befand mich bald 
mit meinem Pferde und zehn Mann in einer Seitengasse, die blind endete, eingepfercht. 
Keine Möglichkeit vor oder zurück zu gehen, alle Haustüren, an die wir klopften, ver 
schlossen. So mußten wir noch das Donnern der Artillerie, die neben uns stand, an 
hören. Die Häuser vor uns wurden in Trümmer geschossen. Sofort verstummte das 
Gewehrfeuer, und wir konnten allmählich wieder zur Vorstadt zurück über gestürzte und 
erschossene Menschen und Pferde. Unterwegs verband ich einige Verwundete meiner 
Kompagnie, einige hatten Schrotschüffe erhalten. Mit Einbruch der Dunkelheit langten 
wir vor der Stadt an, ein Häuflein eingefangener Bürger führte uns jetzt einen Weg um 
die Stadt herum. Inzwischen hatte ich mein Pferd und meine Kompagnie verloren^.
	        
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