Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

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Das deutsche Reich während des ersten Kriegshalbjahres 
nicht im vollen Umfange die Unsumme planvoller, bis ins kleinste Detail gewissenhafter 
Arbeit, die von diesen Männern geleistet wurde. Aber diese Erkenntnis gebiert das 
kategorische Verlangen: das Werk dieser Männer, der starke, wehrhafte Geist, der es 
schuf, er darf nicht wieder zerstieben im Siegesrausch, in der Ernte der goldenen Saat, 
die auf blutgedüngtem Anger aufgehen wird. Darum müssen wir bleiben ein Volk von 
Kriegern und geistigen Ringern. 
Eine Gründerzeit darf Deutschland nicht wieder nahen. Wenn unser Volk jetzt so 
schön und stark die Parallele zwischen den gewaltigen Jahren 1813, 1870 und 1914 emp 
findet, 1917/18 darf nicht 1873/74 ähneln. Ernte wollen wir halten, aber dem ganzen 
Volke. Ihm wollen wir den Weg freimachen zu der Höhe, aus der England so lange 
einsam thronte, nicht zu einer verschwommenen weltpolitischen Fata Morgan«, sondern 
zur Herrschaft über die Ozeane und Küsten, nicht im Dienste des goldenen Kalbes, son 
dern für eine vertiefte Weltkultur, nicht andere Völker ausbeuten und bluten lassen, um 
überfrachtete Schiffe Krämergewinns heimzuführen, sondern um eine national genährte 
Weltmacht zu errichten. Dazu soll uns die Jugend, die wir werden sahen, Helsen, dahin 
wollen wir Alten den Strom der Begeisterung, der Tatkraft leiten, der so herrlich in 
diesem Kriege emporrauscht. 
Ein großer Unterschied zwischen 1870 und 1914 darf nicht außer acht gelassen werden. 
Damals hatte die uralte Sehnsucht nach Deutschlands Einheit sich säst verblutet, ehe 
die Erfüllung des Traumes unter Bismarcks genialer Führung gelang. Heute haben 
wir eben erst ein Wellental moralsatten, sich überschätzenden Philistertums überwunden, 
und das neue Geschlecht schickt sich gerade erst zum Sturmlauf gegen neue Höhen an. 
Darum ist, so darf man hoffen, die Gefahr nicht so groß, daß dieser nie erahnte Auf 
schwung so bald in Krämerglück erlahmen könne. Die Zuversicht ist vielmehr berechtigt, 
daß die säst übermenschliche Kraftleistung unseres Volkes in Waffen ihren geistigen und 
sittlichen Lohn in idealistischen Großtaten finden werde. 
DiezweiteKriegstagungdesdeutschenReichstags 
am Mittwoch den 2. Dezember 1914 
Der Eindruck der ersten Kriegssitzung des Reichstags vom 4. August (vgl. I, S. 39 ff.) 
ist am 2. Dezember 1914 in vielem noch überboten worden. Schon das äußere Bild 
des Reichstags war-von einer überwältigenden Großartigkeit. Nicht bloß alle Tribünen 
einschließlich der für den Hof und die Diplomaten bestimmten Logen waren überfüllt. 
Selbst in den Sitzungssaal, der sonst auf das strengste ausschließlich für die Abgeord 
neten reserviert wird, drängte eine große Zahl von Damen und Herren, die bei dieser 
einzigartigen Gelegenheit auch mit dabei gewesen sein wollten. Und wie in diesen äußer 
lichen Beziehungen die herkömmliche Ordnung durchbrochen wurde, so nahm auch niemand 
daran Anstoß, daß sich an den Schluß der Rede des Reichskanzlers v. Bethmann Hollweg 
ein langdauernder Beifallssturm von Bravos und Händeklatschen schloß, an dem sich 
außer den Abgeordneten auch das Tribünenpublikum beteiligte. Vor dem Reichstags 
gebäude scharte sich in dichten Reihen eine kaum übersehbare Menge, auch sie von einer 
nicht geringeren Zuversicht getragen als die Teilnehmer der Sitzung. Drinnen und 
draußen gab es von einem Einzigen abgesehen, nur den einmütigen Willen, den Krieg 
Lurchzuhalten bis zu seinem glückhaften Ende. 
Die Sitzung nahm nach dem stenographischen Bericht folgenden Verlauf:
	        
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