Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

244 Das Ringen im Osten bis zur Neugruppierung der verbündeten Heere 
Völkerschaften Freiheit zu lassen, und es in den Dienst des Staatsgedankens zu zwingen. 
Denn all den verschiedenen Stämmen schwebt, wenn auch unbestimmt, auf diese Weise 
das Ziel vor, zugleich für ihre nationale Sache und für den Bestand des Gesamtstaates 
zu kämpfen." 
Die polnischen Legionen. 
Die Polen haben bekanntlich für den Krieg eigene freiwillige Legionen ge 
bildet, die sich unter österreichisch-ungarischen Oberbefehl gestellt haben. Ueber diese 
berichtet ein Mitarbeiter der „Leipziger Neuesten Nachrichten": 
„Ganze Regimenter sind nunmehr aus Polens Felder hinausgezogen: den weißen 
Adler auf dem roten Grund ihres Banners, das über neuer polnischer Freiheit flattern 
will. In den ersten Kämpfen und Geplänkeln mit den Russen waren die Mannschaften 
dieser „Polnischen Legionen" die ersten Streiter. Aus Ostgalizien, aus Westgalizien, 
aus allen Städten, allen Dörfern, vom Pfluge und von der Gymnasiastenbank waren 
sie herbeigeeilt. Im Anfang mochten die Kompagnien ein wenig bunt aussehen, nicht 
jeder war feldgrau von Kopf bis Fuß, manch ein Bauernbursch, der sich jetzt nicht mehr 
um Hof und Vieh kümmern wollte, hatte nicht mehr zum Abzeichen als die Soldaten 
mütze oder die Konföderatka mit dem Polenadler. 
Indes arbeitete unermüdlich der oberste „Polnische Nationalrat". In Wien, in Lem 
berg, in Krakau, wo seine Sitze waren, flössen die Mittel aus Spenden der polnischen 
Städte zusammen. Lemberg allein gab eine runde Million. Die Knechtkleider der 
Bauernburschen verschwanden rasch, sie wurden alle ganz regelrecht eingekleidet. Und 
sie übten nicht mehr, halb heimlich in der Stille baufälliger Klöster, auf langen Gängen 
und Korridoren, wie sie es vor Tarnow oder anderwärts im Osten getan, um sich für 
das Werk des Polenkampfes vorzubereiten; jetzt tat man die letzte Vorarbeit zur Russen- 
schlacht auf den Lemberger Exerzierplätzen; später, als man Lemberg aufgab, drüben vor 
Krakaus Toren. Die polnischen Jungschützen und die Sokoln, die Turner, waren In 
fanterie und Kavallerie geworden, jetzt kommt noch Artillerie hinzu: eine kleine Polen 
armee will mit Franz Josefs Truppen gemeinsam durch Tod oder Sieg sich schlagen. 
Den Russen paßten die Legionen mit dem weißen Adler nicht. Sie waren überall 
die Vordersten im Gefecht, waren tollkühn im Ansturm, hieben überall die Kosaken kurz 
und klein. Und überdies strömte ihnen aus den eroberten polnischen Städten, aus 
Kielee oder aus der Schusterstadt Staszow — hier gleich auf einmal 200 Mann — 
stets neue Jugend zu. Im Anfang dachten die Russen als bequemste Abwehr und als 
Entmutigungsmittel den Schrecken auszuspielen. Wer von den Polen in ihre Hände 
fiel, ward gnadenlos gehenkt. Ob sie auch Mann für Mann auf Kaiser Franz Josefs 
Namen vereidigt waren und dem österreichischen Landsturm beizählten, ob sie die schwarz 
gelbe Landsturmbinde auch alle am Arm trugen: die Russen behandelten sie als Frei 
schärler. Jetzt freilich ist keinerlei Auslegung mehr, keinerlei Beschönigung völkerrechts 
widriger Grausamkeit durch die Russen möglich. Denn der Kaiser hat die Polenbatail 
lone als „K. u. k. polnische Legionen" seiner Truppenmacht einfach angegliedert. 
Sie schlugen sich bisher alle voll edelster Bravour. Jedenfalls besser als die arm 
seligen Dreihundert unter Oberst Dmowski, die sich in Warschau in einer anderen, feind 
lichen polnischen Legion gegen die Oesterreicher zusammentaten, sich nach jener ersten 
Schlacht bei Tannenberg (russisch-polnisch: Grünwald) vom Jahre 1410 „Grünwaldsche 
Legion" nannten und dann im ersten Vorpostengefecht — anders als damals ihre Vor 
fahren vor dem Deutschen Ritterorden — panisch erschreckt davonliefen. Seither haben 
die Grünwaldischen freilich keinen besonderen Wert mehr darauf gelegt, im Kugelregen 
zu erscheinen.
	        
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