Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

238 Das Ringen im Osten bis zur Neugruppiernng der verbündeten Heere 
rischer Verwundeter in der „Neuen Freien Presse". Er erzählt: „Als am 30. September 
die russischen Vorposten auftauchten, wollten wir Marmaros-Sziget verständigen, doch zu 
unserer größten Bestürzung funktionierte weder Telephon noch Telegraph. Die Linie war 
hinter unserem Rücken abgeschnitten worden. Wir schickten einen Reiter nach Marmaros- 
Sziget, der aber nicht ankam. Da wir über die Stärke des Feindes keine genaue Kennt 
nis hatten, versuchten wir mit unserer 1200 Mann starken Truppe die Russen aufzu 
halten. Erst später erfuhren wir, daß wir einer bedeutenden Uebermacht gegenüber 
standen. Unsere Stellung war insofern günstig, als wir in dem engen Paß in der längs 
der Eisenbahn und Fahrstraße vorbereiteten Stellung kämpften und von der Artillerie 
unterstützt wurden, die Russen aber nicht imstande waren, ihre Geschütze in Stellung zu 
bringen. Sie machten unsägliche Anstrengungen, um ihre Kanonen auf die Berge hinauf 
zubringen, doch unsere Geschütze vernichteten stets die russischen Artilleristen, die keine 
Deckung hatten, und da die Pferde die Berge nicht erklimmen konnten, mußten sie selbst 
die Kanonen in die Höhe schleppen. Mit einfachem Gewehrfeuer konnten wir die Russen 
17 Stunden lang aufhalten, sie hatten ungemein große Verluste, während wir bloß Ver 
wundete und nur wenige Tote hatten. Die Russen unternahmen zweimal einen Bajonett 
angriff gegen unsere Stellungen, doch wir trieben sie zurück. Auch in der Nacht zum 
1. Oktober wogte der Kampf, und die Russen konnten keinen Fuß breit Terrain gewinnen. 
Schließlich mußten wir aber einsehen, daß wir uns auf die Dauer gegen die Uebermacht 
nicht halten konnten. Es befanden sich unter uns Leute, die mit mehrfachen Verwun 
dungen, nachdem sie verbunden wurden, weiter kämpften. Wir brauchten jeden Mann. 
Aus unserem eisernen Widerstand mußte der Feind folgern, daß ihm eine bedeutende 
Macht gegenüberstehe, und er versuchte am 1. Oktober unsern Rückzug nicht zu stören. 
Die Szekler waren sehr unzufrieden, als sie Befehl zum Rückzug erhielten. Beinahe die 
Hälfte unserer Leute war verwundet, doch schadete dies der Kampfesstimmung nicht 
im geringsten. 
Wir mußten uns aber auch aus dem Grund zurückziehen, damit wir nach Marmaros- 
Sziget Bericht erstatten konnten. In Visovölgy konnten wir bereits telephonieren. 
Wir erhielten Befehl, den Feind noch kurze Zeit aufzuhalten. Zwischen Visovölgy und 
Nagybocsko, wo sich geeignetes Terrain darbot, hielten wir denn auch die Russen weitere 
sechs Stunden auf. Inzwischen konnten die rückwärts gelegenen Dörfer geräumt werden. 
Am 1. Oktober abends zogen wir uns weiter gegen Marmaros-Sziget zurück; es gab unter 
uns kaum einen, der nicht verwundet gewesen wäre. Die Russen wagten sich infolge 
unseres harten Widerstandes nur langsam vorwärts und so erreichten ihre Vorposten 
erst am folgenden Tage Marmaros-Sziget." 
An diese Erzählung schließen sich folgende Berichte von Aage Madelung an, die dieser 
im „Berliner Tageblatt" veröffentlicht: „Am 3. Oktober vormittags erschienen die Russen 
vor Marmaros-Sziget, nachdem sie auf dem die Stadt beherrschenden Berge Tempa 
Artillerie in Stellung gebracht hatten. Die Behörden und der größte Teil der Einwohner 
hatten schon im voraus die Stadt geräumt. Der von den Zurückgebliebenen gelegentlich 
gewählte Bürgermeister empfing vor der Stadt mit einem Munizipalmitgliede den rus 
sischen Korpskommandanten. Nachdem die Uebergabe ohne Widerstand verlangt und zu 
gesagt war, zogen 1200 Donsche Kosaken mit Musik und Gesang in die Stadt hinein. 
Der russische Korpskommandant forderte 160000 Kronen Kriegskosten, was unerfüllbar 
war, weil die Finanzkassen und alle wohlhabenden Bürger unerreichbar waren. Statt 
dessen verlangte und erhielt er 150 Pferde, Heu, Hafer, Tee und Zucker ohne Vergütung. 
In sämtlichen Aemtern wurde unter Leitung russischer Offiziere eingebrochen und die 
nicht im voraus geöffneten Stahlschränke wurden aufgebrochen. So geschah es z. B. in 
der Verwaltung der Salzgruben. In vielen Wohnungen wurde mit Beihilfe der russo-
	        
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