Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Der west- und mittelgalizische Kriegsschauplatz 229 
Dynow vorstieß. Schon am 8. Oktober war bei der Westgruppe des Belagerers eine rück 
gängige Bewegung bemerkbar; er baute seinen Angriff allmählich ab. Immerhin setzten die 
Russen den Angriff an den übrigen Fronten fort, in der allerdings nur mehr schwachen 
Hoffnung, daß es vielleicht doch gelingen könnte, Przemysl vor dem Eintreffen 
der österreichisch-ungarischen Armeen in Besitz zu nehmen. Das rasche Fortschreiten der 
österreichisch-ungarischen Offensive, die den Feind an drei Tagen hintereinander schlug, 
und die Leistungen der heldenhaften Verteidiger von Przemysl, ließen diese Hoffnung 
zu nichte werden. Nun schien das Streben der Russen nur mehr darauf gerichtet, aus 
der Klemme, in die sie geraten waren, mit heiler Haut herauszukommen. Sie stellten 
den österreichisch-ungarischen Truppen bei Lancut und östlich von Dynow starke Kräfte 
entgegen, die einen ungestörten Abmarsch der Belagerungstruppen von der Westfront 
der Festung verbürgen sollten. Diese Deckungstruppen wurden geschlagen. Die aus 
drei Korps bestehende Armee von Lancut wich, mit gewaltiger Energie angegriffen, gegen 
den San zurück. Recht schwierig war auch die Lage der bei Dynow geschlagenen 
russischen Kräfte, die aus einer Kosakendiviston und einer Jnfanteriebrigade bestanden. 
Am 11. Oktober war Przemysl frei. Durch den westlichen Sektor zogen die öster 
reichisch-ungarischen Abteilungen in die Festung ein. Der Jubel über den gelungenen 
Entsatz war groß. Wenige Tage später stattete der österreichisch-ungarische Thronfolger 
Erzherzog Karl Franz Joseph der tapferen Besatzung persönlich einen Besuch ab, über 
die ihr Kommandant, Feldmarschall-Leutnant Kusmanek, folgendes Urteil fällte: „Die 
Stimmung unserer Truppen war geradezu unbeschreiblich begeistert. Nur mit der 
größten Energie — in vollem Sinne des Wortes — konnten wir sie veranlassen, die 
Ausfälle zu mäßigen. Ich will gar nicht mit der Würdigung unserer Braven beginnen, 
sonst wird mein Lob kein Ende finden. Soviel kann ich jedoch mit ruhigem Gewissen 
sagen, daß sie die Anerkennung unseres obersten Kriegsherrn wirklich verdient haben. 
Seit 28 Jahren diene ich meinem Kaiser, ich bin im Dienste ergraut, aber ich kann 
mich nicht beklagen, die Ereignisse der letzten Tage haben mich für alles entschädigt." 
Kämpfe nach dem Entsatz von Przemysl 
Nachdem der Ring der russischen Belagerungsarmee durchbrochen war, berührten ihre 
Stellungen den Fortgürtel von Przemysl nur noch tangentenartig, und zwar auf der 
Ostfront bei Medyka an der Bahnlinie, im Süden der Festung, östlich der Straße 
Przemysl—Dobromi—Chyrow. Hier leisteten die Forts der Festung bei dem nun ein 
setzenden Kampf gute Dienste; sie bildeten etwa die Mitte der halbkreisförmigen Gesamt- 
sront. Von der West- und Südseite der Festung hatten sich die Russen in vorbereitete 
Stellungen östlich und südöstlich von Przemysl zurückgezogen, wobei sie von den über 
Chyrow vorrückenden österreichisch-ungarischen Truppen hart bedrängt und schließlich in 
langwierigen, zähen Kämpfen auf Stary-Sambor zurückgeworfen wurden. Von der Nord 
front wichen die Russen stuchtartig über den San, wo sie sich, durch abgesondert ope 
rierende Truppenteile und bedeutende Nachschübe verstärkt, zu hartnäckigem Widerstand 
verschanzten. Es kam hier zu erbitterten Kämpfen, besonders nordöstlich zwischen San 
und Wysznia und nördlich bei Radymno. Die österreichisch-ungarische Armee mußte 
ihrem Gegner den Boden Zoll für Zoll abringen und zufrieden sein, wenn sie an einem 
Tag einen Kilometer vorwärts kam. 
Leonhard Adelt, der Kriegsberichterstatter des „Berliner Tageblatts" für den gali- 
zischen Kriegsschauplatz, hat das Kampfseld bei Radymno am späten Abend des 
18. Oktobers besucht. Er schreibt: „Aus Nordost, wo die Honveddivision vorgestern 
nach dreitägigem Kampfe durch einen Angriff in Front und Flanke die Russen warf, 
kommt der Donner der österreichischen Geschütze. Im Feld rechts der Straße ist manch
	        
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