Volltext: Der Völkerkrieg Band 1 (1 / 1914)

Niederlage und Flucht derrussischen Wilnaarmee 55 
des Fuchsberges, in Stellung gehen. Deutlich erkennt man die sechs feuernden Geschütze 
und sieht, wie die Munitionskolonnen hinter dem Hügel in Deckung gehen. Da fliegen 
über dem grauen Pulvergewölk und den schwarzblauen Rauchschwaden helle, weiße kreis 
runde Wölkchen. Eins, zwei, drei..., man zählt deutlich acht weiße Wolkenscheiben, die 
scheinbar vor unserer Artillerie fliegen. Die Wolken bekommen einen Augenblick — ein 
Wimperzucken dauert fast länger — einen schwarzen Rand an ihrer unteren Seite, dann 
sind sie verflogen. Russische Schrapnells, die vorläufig viel zu hoch und zu weit vor 
der deutschen Batterie explodieren. Bald sind die Russen aber eingeschossen, und schein 
bar über unserer Batterie flattern die weißen Fetzen, aus denen die Eisendusche nieder 
rauscht. Jetzt feuern unsere Geschütze stärker. Der Himmel scheint in Brand zu stehen, 
der Horizont dehnt sich nach hinten, weil immer neue Dörfer aufflammen. 
Durch das Fernglas sieht man schwarze Punkte weit voneinander entfernt über die 
Felder sich vorwärts bewegen. Es ist die weit auseinandergezogene deutsche Infanterie, 
die scheinbar außerordentlich schnell vorrückt. Viel zu hoch über ihren Reihen zerplatzen 
unaufhörlich russische Schrapnells. Man hört von Norden Kleingewehrfeuer, das bald 
verstummt. Um ein Uhr fünfundvierzig hat das russische Schrapnellfeuer seinen Höhe 
punkt erreicht. Fünf Minuten vor zwei Uhr setzt eine Pause ein, die noch einmal kurz 
unterbrochen wird. Um zwei Uhr fünfzehn hört das russische Feuer auf. Die Unsrigen 
rücken vor, und zwar ziemlich schnell. Es macht sich die Einwirkung unseres Flanken 
angriffs, weit hinter Lötzen herumgeführt bemerkbar. Es ist nicht möglich, den Wert des 
gesehenen Kampfes abzuschätzen. Mit einer unbändigen Freude, die langsam wie Flut 
emporsteigt und das Herz schneller schlagen läßt, stellt man nur fest, daß die Unsrigen 
vorrücken... Während wir durch den Kolonnenstaub, der die Sonne wie starker Nebel 
tatsächlich nicht durchschimmern läßt, in unser Quartier fahren, hat sich die Entscheidung, 
der wir zum Teil beiwohnen durften, schon vollzogen. Denn auch im Zentrum haben 
die Russen bei Nordenburg nachgeben müssen, sie werden in völliger Flucht auf den 
Njemen zurückgehen. Ostpreußen kann aufjubeln." 
Die Schlacht bei Lyck. 
Als in der Schlacht bei Allenburg-Nordenburg-Angerburg der rechte deutsche Flügel 
die entscheidende Schwenkung, die Umgehung der linken russischen Flanke, ausführte, 
wurde plötzlich der Anmarschneu errussischerKräftegegenLyck gemeldet. 
Dank der heldenmütigen Haltung der deutschen Landwehr, besonders 
der Division von der Goltz, die die Russen am Einfall durch die Seenenge bei Lyck zu 
verhindern hatte, ist das Städtchen vor dem Schicksal bewahrt geblieben, das so viele 
seiner ostpreußischen Schwesterstädte betroffen hat. 
Die Schlacht begann am 12. September nachmittags 3 Uhr mit einem Angriff 
der Russen über Neuendorf gegen Sybba. Das 22. Armeekorps (Stabsquartier Hel- 
singfors, Finnland) und Teile des 6. Armeekorps (Stabsquartier Bialystok) haben ihn 
ausgeführt. Wunderbarerweise warteten die Russen die Wirkung ihrer Artillerie gar 
nicht ab. Der Angriff erfolgte vielmehr ohne jede Artillerieunterstützung. Deutscher 
seits wurde die Verteidigung der neuen Landwehrbrigade sehr wirksam durch eine 
schwere Batterie des Feldheeres auf dem Exerzierplatz bei Lyck und eine Feldbatterie 
unterstützt. Der erste Angriff war also abgeschlagen. 
Den weiteren Verlauf der Schlacht schildert der Kriegsberichterstatter der 
„Vossischen Zeitung" folgendermaßen: „Die Nacht vom 12. zum 13. September be 
nutzten unsere Truppen dazu, sich zu verschanzen, konnten aber die Schützengräben dann 
nicht benutzen, weil sie voll Wasser liefen. Von morgens 1 IS Uhr an donnerten die 
Geschütze von unserer Seite mit solchem Erfolg, daß die Visiere des Neuendorfer Hoch-
	        
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