Volltext: Der Völkerkrieg Band 1 (1 / 1914)

Die Riesenschlachten in Russisch-Polen und Galizien IS 
während frische Nachschübe, während die österreichisch-ungarischen Truppen drei Wochen 
lang in ständigen verlustreichen Kämpfen, mit anstrengenden Märschen dazwischen, tags 
über fochten und nachts beunruhigt wurden. Die österreichischen Verluste waren sehr 
erheblich, aber die der Russen noch bedeutend größer. 
Wenn man die Riesenschlacht in Galizien als ein Ganzes, als eine ein 
heitliche kriegerische Operation betrachtet, — und die Weltgeschichte wird das sicher tun 
— ist diese Schlacht die langwierigste und ausgedehnteste, zudem mit der größten Zahl 
von Kämpfern seit Menschengedenken. Die Schlacht von Roßbach war in zwei Stunden 
zu Ende, die Schlacht von Liegnitz dauerte drei Stunden. Unter den Napoleonischen 
Schlachten waren die längsten die von Aspern und Leipzig, von denen die erste 21 Stun 
den, die letztere drei Tage währte. Die dritte Schlacht von Plewna schlug diesen Rekord 
mit sechsmal vierundzwanzig Stunden. Die Schlacht von Mulden dauerte vom 
27. Februar bis zum 13. März auf einer Front von 120 Kilometern mit einer Streiter 
zahl von 600000 Mann. Bei Königgrätz waren es rund 450000, bei Leipzig 475 000. 
Nach englischen Meldungen sind auf dem galizischen Schlachtfeld im ganzen 
100 000 Russen gefallen. 
Das russische Spionagesystem 
In den verschiedensten Schlachtberichten ist die Rede von dem Spionagenetz, mit dem 
die Russen ganz Polen und Galizien überzogen hatten. Der Rubel rollte, zahllose 
Spione haben den russischen Truppen den Weg bereitet. Rußland hat es sich ungezählte 
Millionen kosten lassen, um sich unter den armen ukrainischen Bauern Spione und 
Helfershelfer zu sichern. Schon seit Jahren hat es seine Leute in die verschiedenen Be 
zirke einzuschmuggeln gewußt und dann mit Geld fleißig nachgeholfen, also die Taktik 
verfolgt, die es schon vor 150 Jahren übte, als es Polen unterwühlte, um es zu zer 
stören. Die russische Uebermacht scheut kein Mittel, obwohl ihr so vieles in diesem Kampf 
mit einem Schwächeren günstig ist: die unerschöpflich scheinenden Mannschaftsreserven, 
die Kriegserfahrung des Offizierkorps, die Reorganisation eines wesentlichen Teils der 
Feldartillerie, und vor allem die Politik, der es gelang, für Mobilisierung und An 
häufung von Vorräten aller Art dem Gegner einen mindestens zweimonatlichen Vor 
sprung abzugewinnen. 
Wie die Spione zu Werke gingen, zeigt der Brief eines verwundeten Offiziers eines 
österreichischen Jägerbataillons. Er erzählt: „Auf unserem Vormarsch hatte sich eines 
Tages ein Bauer an unsere Mannschaft herangedrängt und bot sich als Führer an. 
Wir wiesen ihn fort, worauf er gegen ein Gehölz lief, in das er etwas uns Unverständ 
liches rief, wobei er mit der Hand auf uns deutete. Wir hatten genug gesehen, und zwei 
wohlgezielte Schüsse verhinderten, daß er jemals wieder den Russen einen derartigen 
„Fingerzeig" gebe. Wie berechtigt diese rasche Justiz war, konnten wir bei unserem 
Näherkommen entdecken. Ein vorsichtiges Absuchen des Gehölzes ergab, daß darin 
Russen verborgen waren, die uns, wenn wir sie nicht entdeckt und von dort vertrieben 
hätten, in den Rücken gefallen wären." 
In der Wahl ihrer Mittel bewiesen diese russenfreundlichen Bauern eine erstaunliche 
Erfindungsgabe und Verschlagenheit. Sie verrieten der russischen Artillerie die öster 
reichisch-ungarischen Stellungen durch vereinbarte Rauchfeuer, durch Spiegel- und 
andere Signale, die sie zum Teil von den Bäumen aus abgaben, durch Vortreiben von 
Kühen in die Schwarmlinie und zahlreiche andere, den Unerfahrenen harmlos er 
scheinende Veranstaltungen. Vielfach benutzten sie Telephone, deren Leitungen im Boden 
vergraben waren.
	        
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