Volltext: Der Völkerkrieg Band 1 (1 / 1914)

D e r belgische Franctireurkrieg 
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stellung genommen. Die hohen Berge des rechten Ufers besetzte die deutsche Artillerie, 
um den Abstieg der eigenen Truppen zu decken. Von beiden Seiten gab es ein mör 
derisches Feuer. „Als unsere Soldaten truppweise die Stadt erreichten," schreibt ein 
Berichterstatter, „schlossen sich die Bürger dem Kampfe an. Die Bürgerwehr, in toller 
Vermessenheit, stellte sich den ersten deutschen Trupps entgegen und schoß in die blinken 
den Reihen. Aus allen Häusern unterstützten die Einwohner dieses kindische Feuer. 
So mußten sich unsere Truppen den Weg bahnen. Von den jenseitigen Höhen der Maas 
sprühten die französischen Geschütze ihr verheerendes Feuer. Aus Gassen und winkligen 
Ecken zischten die Freikugeln der Bürger Dinants. Die Häuser stürzten, getroffen von 
den Granaten, krachend zusammen. Zu gleicher Zeit zischten die deutschen Granaten über 
die Stadt und schlugen auf dem linken Maasufer alles kurz und klein. Flammen zün 
gelten empor. Ueberführte Mörder wurden in Reihen an die Wand gestellt und mit 
pfeifender Kugel gerichtet. Die Kirche brannte. Mit dröhnendem Krachen stürzten die 
drei Gocken aus ihrer Höhe. Im Sturze noch klingend. Und über all dem Schrecken 
und Kampf brüllten von den Bergen die Kanonen das Lied der Schlachten. Als der 
Abend sich senkte, räumten die Franzosen ihre Stellung am linken Ufer und zogen sich 
in eilender Flucht westwärts zurück." In der Nacht gab es noch einen kurzen, aber er 
bitterten Straßenkampf mit Franctireurs und zurückgebliebenen französischen Soldaten. 
Durchaus nicht vereinzelt sind die Fälle, in denen die Kirchen zum Kampfe benutzt 
und Maschinengewehre auf den Kirchtürmen aufgestellt wurden. Ein besonders krasses 
Beispiel erzählt ein Stabsarzt: „Aus der Kirche von .... wurde auf etwa hundert 
Meter Entfernung Maschinengewehrfeuer auf die Krankenträger abgegeben. Das Ma 
schinengewehr ist von einigen Männern bedient worden, die das Rote Kreuz am Arm 
hatten. Sie wurden alle erschossen." 
Der Franctireurkrieg in Belgien ist die Schöpfung einer wohldurchdachten b e h ö r d - 
lichenOrganisation. „Ich habe selbst gesehen," schreibt ein Kriegsberichterstatter, 
„wie man den Bürgermeister des von uns zerstörten Clermont einbrachte, wo die 
Weiber wie Bestien nachts über schlafende Verwundete herfielen und sie in nicht wieder 
zugebender Weise marterten, bis sie der Tod erlöste. Belgier haben mir erzählt, daß 
dieser Bürgermeister trotz des dringendsten Abratens des Ortspfarrers die Bevölkerung 
zum Ueberfall auf die deutschen Soldaten aufgefordert und mit Waffen versehen habe. 
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Verteilung von Waffen und Munition an die 
Zivilbevölkerung systematisch durchgeführt worden ist. Die Wut der Bürger und die 
Wut gegen Deutschland wurde künstlich durch lügnerische Nachrichten aufgestachelt; die 
Russen seien schon über Breslau hinaus in Deutschland eingedrungen und im An 
marsch auf Berlin, die Engländer hätten den größten Teil der deutschen Flotte zerstört 
und landeten an der Ostseeküste, im Oberelsaß hätten die Franzosen unter der begeister 
ten Mithilfe der Elsässer einen großen Sieg errungen. Derartige behördlich verbreitete 
Gerüchte mußten das leicht erregbare belgische Volk aufreizen. In wenigen Tagen 
wähnte man mit Hilfe der Franzosen die Deutschen aus Belgien hinauszuwerfen. Um die 
Ueberfälle zu beendigen, gab es nur ein Mittel, nämlich mit unnachsichtlicher Strenge 
einzugreifen und Beispiele aufzustellen, die für das ganze Land eine Warnung bilden." 
Das Strafgericht von Löwen 
Den Höhepunkt des belgischen Franctireurkriegs und vielleicht aller Franctireur- 
kriege überhaupt bildet die Schreckensnacht von Löwen. Nach der üblichen 
Panik und der Flucht eines Teils der Bewohner waren die deutschen Truppen 
in Löwen eingezogen. Die städtische Behörde erließ sofort eine Bekanntmachung, 
die zur Ruhe aufforderte und besonders vor dem Schießen warnte, da sonst schwere
	        
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